Abendmahl mit Eisernem Kreuz

Wiederaufgebauter Turm der Garnisonkirche in Potsdam eröffnet

 — © Foto: Imago/Schöning
Foto: Imago/Schöning
Der Turm der Garnisonkirche in Potsdam.

Die Potsdamer Skyline ist um einen besonderen Kirchturm reicher: Mit einem Festakt und einer Rede des Bundespräsidenten ist der wiederaufgebaute Turm der Garnisonkirche eröffnet worden. Das Projekt bleibt umstritten.

Auf dem silbernen Kelch ist ein Eisernes Kreuz eingeritzt. In der alten Potsdamer Garnisonkirche erhielten Gottesdienstbesucher hieraus den Abendmahlswein. Jetzt findet sich der Kelch in der Ausstellung zu „Glaube, Macht und Militär“, die am Donnerstag zusammen mit dem wiederaufgebauten Turm der Garnisonkirche eröffnet wurde. Das Objekt zeige, wie sich die Kirche zu einer „preußisch-nationalen Ruhmeshalle zur Erinnerung an die Befreiungskriege“ verwandelt habe, heißt es in der Beschreibung.

Kaum ein Kirchenbau in Deutschland ist in den vergangenen Jahren so umstritten gewesen wie der Wiederaufbau des Turms der 1968 von den SED-Machthabern gesprengten Garnisonkirche. Die ehemalige Hof- und Garnisonkirche stand über Jahrhunderte für die enge Verbindung zwischen dem preußischen Staat und der evangelischen Kirche. Preußische Könige waren hier begraben, Soldaten gingen hier zum Gottesdienst, bevor sie in den Krieg zogen.

Und: Am 31. März 1933 fand hier der „Tag von Potsdam“ statt: Bei einem Festakt zur Reichstagseröffnung schüttelte der neue Reichskanzler Adolf Hitler die Hand des greisen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg. Das von einem Fotografen der „New York Times“ festgehaltene Motiv wurde zu einem Symbol der Machtübernahme der Nationalsozialisten.

Der Ort wurde so „zum Symbol einer Allianz von konservativer Tradition und Nationalsozialismus; einer Allianz, die nicht zuletzt das Ende der ersten deutschen Demokratie besiegelte“, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei einem Festakt zur Eröffnung des wiederaufgebauten Kirchturms. „Die neue Garnisonkirche ist kein Ort der Verehrung von Militarismus, Nationalismus und Obrigkeitsstaat.“ Sie erinnere im Gegenteil daran, welches Unheil nationale Raserei, Rassenwahn und Eroberungspolitik über Deutschland und Europa gebracht hätten.

„Jedem Versuch, deutsche Verantwortung zu leugnen, unsere Erinnerungskultur als Schuldkult zu diskreditieren, stellen wir uns entschieden entgegen“, sagte Steinmeier – und spielte damit auf die AfD an: Die Diffamierung des Holocaust-Gedenkens als „Schuldkult“ ist ein beliebter Topos neu-rechter Kreise.

Der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Christian Stäblein, hob hervor: „Wir erklären hier und heute, dass wir, die wir diesen Ort wollten, ihn als Ort des Wachsamseins wollen.“ Kritiker befürchten mit Blick auf die Rekonstruktion des Turms eine Art Wallfahrtsort für Rechtsextreme. Auch zur Eröffnung versammelten sich draußen vor dem Turm rund 100 Demonstranten und protestierten gegen die Garnisonkirche. Stäblein betonte, der Turm solle heute nichts anderes als ein „Zentrum für Frieden und ein Lernort für Demokratie“ sein.

In der Landespolitik stieß die Eröffnung auf unterschiedliche Reaktionen. Während der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, Steeven Bretz, von einer „architektonischen, kulturellen und geschichtlichen Bereicherung für die Stadt“ sprach und der Kirche attestierte, „Brandenburgs Geschichte in all ihren Facetten“ zu erzählen, übte die Landtagsabgeordnete Isabelle Vandre (Linke) massive Kritik: „Es ist ein beschämender Akt für das moderne Potsdam: Mit diesem Ort kann und darf es keine Versöhnung geben.“

Unklar blieb auch am Donnerstag, wie sich das Gebäude künftig finanzieren soll. Denn schon der Wiederaufbau gestaltete sich mühsam. Von den 42 Millionen Euro, die er den Angaben zufolge kostete, stammten 24,5 Millionen Euro vom Bund und fünf Millionen aus kirchlichen Darlehen. Nur etwas mehr als ein Viertel der Gesamtkosten wurden über Spenden gedeckt.

Die Stiftung Garnisonkirche setzt deswegen auch auf die Wirkung der Kirche als Touristenattraktion: In 57 Metern Höhe befindet sich eine Aussichtsplattform, die man für zwölf Euro Eintrittspreis mit Fahrstühlen erreichen kann. Auf bis zu 80.000 Besucher im Jahr hofft man.

Ein Wiederaufbau auch des Kirchenschiffs steht dagegen vorläufig nicht mehr zur Debatte. „Ich sehe das Thema überhaupt nicht – erst wenn mir jemand 150 Millionen Euro und ein umsetzbares Nutzungs- und Betriebskonzept für die Kirche auf den Tisch legt, macht es Sinn, darüber zu reden“, erklärte Garnisonkirchen-Pfarrer Jan Kingreen.

Benjamin Lassiwe/KNA

expand_less