Selbstlos bis in den Tod

Vor 80 Jahren starb der Südtiroler NS-Widerstandskämpfer Josef Mayr Nusser

 — © Foto: https://www.josef-mayr-nusser.it/
Foto: https://www.josef-mayr-nusser.it/
Josef Mayr Nusser.

Josef Mayr Nusser wurde am 27. Dezember 1910 in Bozen geboren. Nach der Handelsschule arbeitete er als kaufmännischer Angestellter und engagierte sich intensiv in der katholischen Sozialarbeit. Seine Vorbilder waren Thomas von Aquin, Thomas Morus und der Tiroler Freiheitskämpfer Peter Mayr, dessen Prinzipientreue ihn tief beeindruckte. Besonders Peter Mayrs Standhaftigkeit, seine Weigerung, sich mit einer Lüge zu retten, wurde für Josef Mayr zum prägenden Beispiel.

Engagement in Kirche und Gesellschaft

Bereits in jungen Jahren war Mayr von den sozialen und geistigen Herausforderungen seiner Zeit bewegt. 1932 trat er der Bozner Vinzenzkonferenz bei, einer Organisation, die sich um Arme und Bedürftige kümmerte. Drei Jahre später übernahm er die Leitung einer neu gegründeten Vinzenzkonferenz am Bozner Boden und setzte sich mit großem Engagement für soziale Gerechtigkeit und die praktische Umsetzung christlicher Werte ein.

Parallel dazu spielte er eine zentrale Rolle in der katholischen Jugendbewegung Südtirols. 1933 wurde er Führer der katholischen Jungmänner des Deutschen Anteils der Erzdiözese Trient. Mit Hingabe organisierte er Treffen, verfasste Rundbriefe und ermutigte junge Menschen, ihren Glauben als Grundlage ihres Handelns zu begreifen. In dieser Zeit entwickelte sich seine Überzeugung, dass ein aktives Bekenntnis zum Glauben eine zentrale Aufgabe der Christen sei.

Hildegard und Josef Mayr Nusser mit ihrem Stammhalter Albert.

Zeugnis des Glaubens und Entscheidung für die Heimat

In einem Artikel für die katholische Zeitschrift Jugendwacht schrieb er 1938: „Zeugnis geben ist heute unsere einzige, schlagkräftigste Waffe.“ Diese Worte spiegeln seine tiefe Überzeugung wider, dass Glaube nicht nur im Privaten gelebt, sondern öffentlich vertreten werden müsse.

Als 1939 die „Option“ für die Südtiroler anstand – die Entscheidung, entweder nach Deutschland auszuwandern oder in Italien zu bleiben –, entschied sich Mayr bewusst gegen die weit verbreitete Auswanderung. Während viele Südtiroler sich für ein Leben im Deutschen Reich entschieden, blieb er in seiner Heimat, da er überzeugt war, dass sein Platz als Christ und als Südtiroler dort sei, wo er geboren wurde. Diese Entscheidung zeugt von seiner tiefen Verbundenheit mit Land und Glaubensgemeinschaft.

Familie und Widerstand

Inmitten dieser politisch turbulenten Zeit fand Mayr auch persönliches Glück. 1942 heiratete er Hildegard Straub, und 1943 wurde ihr Sohn Albert geboren.

Mit dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Südtirol im September 1943 wurde Josef Mayr 1944 völkerrechtswidrig zur Waffen-SS eingezogen, obwohl er italienischer Staatsbürger war. Er wurde nach Konitz in Ostpreußen geschickt, wo er mit anderen Südtirolern für den Fronteinsatz vorbereitet wurde. Doch am Tag vor der Vereidigung verweigerte er den Eid auf die Waffen-SS.

Seine Ablehnung war keine spontane Entscheidung, sondern das Ergebnis eines langen inneren Ringens. In einem Brief an seine Familie schrieb er: „Dieses Bekennenmüssen wird sicher kommen, denn zwei Welten stoßen aufeinander.“ Er wusste, dass er mit dieser Entscheidung sein eigenes Leben riskierte, doch sein Gewissen ließ ihm keine andere Wahl.

Verurteilung und Tod

Josef Mayr Nusser wurde wegen „Wehrkraftzersetzung“ verhaftet, zum Tode verurteilt und auf den Transport ins Konzentrationslager Dachau geschickt. Doch noch bevor das Urteil vollstreckt werden konnte, erlitt er auf der Fahrt dorthin aufgrund der Strapazen und Misshandlungen einen völligen körperlichen Zusammenbruch. Der Zug blieb in Erlangen stehen, wo er am 24. Februar 1945 starb.

Sein Leichnam wurde zunächst in Erlangen beigesetzt. Erst 1958 wurde er nach Südtirol überführt, und 1963 fand er seine endgültige Ruhestätte an der Außenmauer der Kirche von Lichtenstern am Ritten.

Seligsprechung und Vermächtnis

Josef Mayr Nusser wurde zum Symbol für den christlichen Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Sein Mut und seine Gewissensstärke zeigten, dass es auch in den dunkelsten Zeiten möglich war, für Wahrheit und Glauben einzustehen.

Am 18. März 2017 wurde er im Bozner Dom seliggesprochen. Seine Geschichte bleibt ein leuchtendes Beispiel für Standhaftigkeit und moralische Integrität. Sein Leben erinnert uns daran, dass wahre Größe nicht in Macht oder Gewalt liegt, sondern im Mut, dem eigenen Gewissen treu zu bleiben – selbst unter Lebensgefahr.

Andreas Raffeiner

 — © Foto: www.josef-mayr-nusser.it
Foto: www.josef-mayr-nusser.it
Der Weg von Bozen nach Konitz und zurück nach Erlangen.
expand_less