Bischöfe zur US-Politik: "Das ist ein Skandal"
Aktuelle Konflikte prägten Beratungen bei der Vollversammlung im Kloster Steinfeld

Jeden Morgen der bange Blick nach Rom: Wie geht es dem Papst? Franziskus‘ lebensbedrohliche Erkrankung lag wie ein Schatten auf der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz im Kloster Steinfeld in der Eifel. Manch einer fragte sich, ob die rund 60 Bischöfe und Weihbischöfe angesichts der Gesundheitskrise ihres Oberhaupts überhaupt zusammenkommen sollten. Doch am Ende waren es ganz andere Krisen, die das Treffen noch mehr bestimmten.
Donald Trumps Anti-Europa-Kurs, der Zerfall des Westens, der Krieg in der Ukraine, die Massaker in Syrien, der AfD-Erfolg bei der Bundestagswahl, die Verschärfung der Asylpolitik, die Klimakrise: Mehr als je zuvor ging es um drängende politische Themen. Die Stimme der Kirche – in diesen Zeiten kommt ihr eine besondere Rolle zu.
Der Konferenzvorsitzende Georg Bätzing wurde am Abschlusstag deutlich: „Das ist ein Skandal“, sagte er zum Vorgehen der US-Regierung gegen die Ukraine. Ein kurzfristiger Friedensschluss mit dem Kriegstreiber Russland ohne Sicherheitsgarantien für die Ukraine bedeute keinen langfristigen Frieden in Europa.
Es sei nicht hinnehmbar, wenn die USA der Ukraine den eigenen Willen aufzwängen und den Zugang zu Rohstoffen erpressten. Bätzing kritisierte zudem die Abkehr der USA von UN-Organisationen für Entwicklungshilfe, Gesundheitsdienste und Hilfen in Kriegsgebieten.
Auch in Deutschland sehen die Bischöfe Vieles mit Sorge. Die in Teilen rechtsextreme AfD hatte bei der Bundestagswahl auch in katholisch geprägten Regionen deutlich zugelegt. Insgesamt verdoppelte sie ihr Ergebnis auf 20,8 Prozent.
„Jemand, der die AfD nach diesem Wahlkampf gewählt hat, der kann mit meiner Solidarität nicht mehr rechnen“, sagte Bätzing. Es habe ihn schockiert, wie unverfroren die AfD-Vorsitzende Alice Weidel im Wahlkampf „spalterische Positionen, antieuropäische Positionen, Pro-Putin-Positionen“ vertreten habe. Niemand könne sich mehr herausreden, etwa nur aus Protest die AfD zu wählen.
Die Bischöfe erinnerten an ihre vor einem Jahr beschlossene Erklärung „Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar“. Mit der AfD habe die Kirche keine Schnittmenge. Trotzdem komme man nicht umhin, mit den Wählern stärker ins Gespräch kommen, um deren Beweggründe zu verstehen. Bätzing räumte ein: „Auch wir Kirchen haben offenbar Probleme nicht ernst genommen, die viele Menschen umtreiben.“
Viele Menschen finden es richtig, dass CDU und CSU viele Asylbewerber an der Grenze abweisen wollen. Die Bischöfe sehen Grenzschließungen und Zurückweisungen dagegen kritisch. Bätzing forderte, „in einem gesunden Maß den Familiennachzug zu ermöglichen, damit Familien zusammenbleiben“. Dies beuge auch möglichen Anschlägen verirrter Einzeltäter vor, die ohne Familie nur schwer zu integrieren seien.
Auch eine Rückführung syrischer Flüchtlinge in ihre Heimat lehnen die Bischöfe zum jetzigen Zeitpunkt ab. Wie desolat die Lage in Syrien auch nach dem Sturz des Assad-Regimes ist, berichtete der Erzbischof von Homs, Jacques Mourad, der als Gast angereist war. Die Massaker an der alawitischen Minderheit bewertete er als Anzeichen für einen Völkermord. Die islamistische Übergangsregierung trage die Verantwortung dafür.
Mourad war 2015 von Dschihadisten des „Islamischen Staats“ entführt und monatelang gefangen gehalten worden, bis ihm die Flucht gelang. Zu Beginn des Bürgerkriegs vor 14 Jahren lebten rund 1,5 Millionen Christen in dem Land, inzwischen nur noch 300.000. Sollte die Übergangsregierung den versprochenen Schutz von Minderheiten missachten, werde die Zahl weiter sinken, warnte der Augsburger Bischof Bertram Meier.
Angesichts der labilen Weltlage hält Militärbischof Franz-Josef Overbeck die von Union und SPD geplanten Mehrausgaben für Verteidigung für gerechtfertigt. Die Ausrüstung der Bundeswehr sei zu lange vernachlässigt worden. Der Essener Bischof plädierte für die Einführung eines verpflichtenden Gesellschaftsjahres, bei dem Männer wie Frauen den Wehrdienst als eine Option wählen können sollen. Dies käme auch Krankenhäusern, Altenheimen, Hospizen und Kindergärten zugute, die zu wenig Mitarbeiter haben.
Während die Bischöfe tagten, stritten die Parteien im Bundestag darüber, ob die neuen Milliardenschulden auch für den Klimaschutz eingesetzt werden. „Der Klimaschutz ist das größte Marktversagen in unserer Menschheitsgeschichte“, sagte der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer. Er erinnerte an das vor zehn Jahren veröffentliche Lehrschreiben „Laudato si“, in dem Papst Franziskus vor den dramatischen sozialen Folgen des Klimawandels gewarnt hatte.
„Heute müssen wir sagen: Wir haben nichts verstanden – im Gegenteil, wir sind zynischer geworden“, kritisierte Wilmer mit Blick auf die Weltlage. „Die Weltklimaabkommen drohen zur Farce zu verkommen.“ Das Grundanliegen von „Laudato si“ müsse auch in den Koalitionsvertrag aufgenommen werden.
Die Bischöfe berieten mit Experten darüber, wie die Kirche zum Klimaschutz beitragen kann. Vorgestellt wurde die Broschüre „Orientierungshilfe Nachhaltigkeitsberichterstattung“, die einen Überblick liefern soll. Der Münsteraner Weihbischof Rolf Lohmann rief dazu auf, die katholische Tradition des fleischlosen Freitags wiederzuentdecken. Dies sei gut für den Körper und für das Klima.
Die Grünen hatten 2013 in ihrem Wahlprogramm auf die ökologischen Schäden der Fleischproduktion hingewiesen und einen fleischlosen „Veggie Day“ für Kantinen vorgeschlagen. Sie ernteten damit einen Sturm der Entrüstung.
Etwas Ähnliches erlebten die Bischöfe, als sie drei Wochen vor der Bundestagswahl die verschärfte Migrationspolitik von CDU und CSU kritisierten. Der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Karl Jüsten, und die evangelische Prälatin Anne Gidion hatten die Stellungnahme an die Abgeordneten geschickt und dabei kritisiert: Das Vorgehen der Union sei dazu geeignet, alle in Deutschland lebenden Migrantinnen zu diffamieren und Vorurteile zu schüren. Dass CDU-Fraktionschef Friedrich Merz die Hilfe der AfD bei der Abstimmung in Kauf nehme, sei nicht akzeptabel.
Prälat Jüsten musste sich in Kall-Steinfeld der Kritik an seinem Vorgehen stellen. Inhaltlich entspreche die Stellungnahme zwar der Position der Bischöfe, sagt Bätzing. Das Anschreiben, das viele in Reihen der Union empörte, sei aber nicht sensibel genug formuliert worden.
Wegen der vielen politischen Themen auf der Tagesordnung kamen die Bischöfe nicht mehr dazu, wie geplant eine Bilanz zu fünf Jahren Corona zu ziehen. Welche Lehren die Kirche aus der Coronazeit ziehen kann, wird zu einem späteren Zeitpunkt erörtert.
Ein Dauerthema seit Jahren ist die Aufarbeitung des Missbrauchskandals. Trotz Kritik von Betroffenen wollen die Bischöfe an ihrem System für die Anerkennungszahlungen festhalten. Rund 20 Initiativen von Missbrauchsbetroffenen protestierten vor dem Kloster mit einer rund 50 Meter langen Schnur, an der Listen mit rund 88.000 Unterschriften hingen. Sie forderten von den Bistümern, bei Schmerzensgeldprozessen von Betroffenen keine Verjährung geltend zu machen. Auch dies ein steiniges Thema, zu dem der Name des Klosters passte, das eine über 900-jährige Tradition hat: Steinfeld – steiniges Feld.
Bernward Loheide (KNA)