Marienfrommer Ordensmann
Im Eifelkloster Steinfeld war der heilige Hermann Josef von Steinfeld zu Hause

Vor seinem barocken Grab in der alten Basilika brennen Kerzen. Obenauf liegt der Heilige in Alabaster gehauen – ein besonders feiner Stein, den Bildhauer schätzen. In der Linken hält er einen Knaben, wie sie ihm im Lauf seines Lebens immer wieder ans Herz gewachsen waren. Kein Wunder, dass er bis heute als Kinderpatron gilt.
Es ist ein Bild des Friedens inmitten der Eifel, wo Hermann Josef von Steinfeld in der Klosterkirche begraben liegt. Ein gottesfürchtiger und Maria liebender Ordensmann, der Mitte des zwölften Jahrhunderts in Köln geboren wurde. Dort, wo heute ein großes Denkmal auf dem Waidmarkt an den erst 1960 offiziell Heiliggesprochenen erinnert.
Lebensdaten unklar
Viel, vor allem Genaues, weiß man nicht über ihn. So ist sein Geburtsjahr ebenso unklar wie sein Todestag. Beschreibungen seines Lebens sind rar, die wichtigsten längst verschwunden. Etwa die Vita einer Zisterzienserin namens Elisabeth, die im Kloster Hoven bei Zülpich zuhause war, in dem Hermann Josef starb. Ihren Tod signalisierte ihm eine Vision, in der ein Engel ihm die erlöste Seele Elisabeths zeigte. Es war eine von vielen Visionen und mystischen Erlebnissen, die das Leben des Heiligen prägten.
Besonders groß war seine Liebe zur Gottesmutter, der auch die Äpfel zu verdanken sind, die gewöhnlich rund um sein Grab in Steinfeld liegen – und um eine Muttergottes im Chor der größten romanischen Kirche Kölns, Sankt Maria im Kapitol. Angeblich habe der Heilige dort täglich zur Gottesmutter gebetet. In einer seiner Visionen reichte er dem kleinen Jesus auf ihrem Arm einen Apfel, den dieser dankend angenommen habe – eine rührende Szene, die ähnlich auch der Brunnen auf dem Kölner Waidmarkt zeigt.
Starker Bezug zu Maria
Wegen seiner schon als Kind ausgeprägten Zuneigung zu Maria und Jesus, die sein Leben als Mystiker prägen sollte, schickten ihn seine Eltern noch als Knaben in das damals angesehene Prämonstratenserstift nach Steinfeld, wo man ihn als Nachahmer des „zwölfjährigen Jesus im Tempel“ empfand.

Als Novize aber war er den Klosterbrüdern zu jung, sodass sie ihn zur weiteren Ausbildung und zum Studium nach Friesland schickten. Zurück in der Eifel war er zunächst Speisemeister, also für die Versorgung der Klostergemeinschaft zuständig. Ein Job, der ihm schnell über den Kopf wuchs. Frustriert beschwerte er sich bei der Gottesmutter über die anstrengende, aber geistig wenig fordernde Arbeit. Die aber, so schreiben seine Biografen, hatte dafür wenig Verständnis: „Du kannst mir nichts Angenehmeres tun, als deinen Brüdern in aller Liebe zu dienen“, soll sie ihm entgegnet haben.
Nach seiner Weihe zum Priester wurde der Ordensmann Sakristan an der Stiftskirche, Küster sozusagen. Ein Amt, das ihm mehr Zeit zum betrachtenden Gebet und zu mystischer Einkehr erlaubte. So wird erzählt, dass ihm bei der Messfeier eines Tages himmlische Gerüche aus dem Kelch entgegenschlugen, weshalb der Mystiker auf alten Bildern gern mit einem Kelch gezeigt wird, aus dem Rosen wachsen.
Seiner ungebrochenen Marienfrömmigkeit verdankte er schließlich auch den zweiten Vornamen Josef, den er nach der „mystischen Vermählung mit der Gottesmutter“ erhielt. Es war eine Vision, die ihn in die Rolle des Josef drängte, Marias Mann. Eine Vorstellung, der den damals in Deutschland relativ unbekannten Vornamen Josef populär machte. Eine besondere Beziehung hatte der gebürtige Kölner auch zur heiligen Ursula, der dortigen Stadtpatronin, und ihren Gefährtinnen.
Geheimnisvolle Mystik
Mystik war für Hermann Josef das Sammeln von Erfahrungen mit tiefer Seelenwirkung. Fragen danach aber wich er gern aus. „Das ist mein Geheimnis“, beschied er meist. Auch sein Lebensstil war anders als der seiner Mitbrüder. So schlief er nicht auf Stroh, sondern auf dem blanken Boden. Statt auf ein Kissen soll er seinen Kopf auf einen harten Stein gebettet haben. Viele Nächte lag er so auch wach. Und da er sich meist nur von warmem Bier, Wasser und Brot ernährte, war er oft krank. Auch das Fasten setzte ihm immer wieder zu, sodass er sich Mitte des 13. Jahrhunderts ins Kloster der Zisterzienserinnen in Hoven bei Zülpich zum Sterben zurückzog.
Nach seinem Tod zunächst dort auch beigesetzt, holten ihn seine Ordensbrüder aber zurück nach Steinfeld, wo die Verehrung des frommen Mannes schließlich ihren Anfang nahm. Immer wieder kam es an seinem Grab zu Wunderheilungen, die sich bis nach Rom herumsprachen. In Papst Benedikt XIII. fand Hermann Josef schließlich einen großen Fürsprecher, der anno 1728 ihm zu Ehren einen eigenen Altar im römischen Kolleg der Prämonstratenser weihte. Ein Akt, der für viele damals seiner Seligsprechung gleichkam. Dennoch sollte es bis 1960 dauern, ehe man Hermann Josef offiziell einen Heiligen nennen durfte. Seit 1961 jedenfalls wird sein Fest in allen Diözesen Deutschlands gefeiert, anfangs am 7. April, heute am 21. Mai. An diesem Tag werden auch seine Reliquien um die Kirche getragen und eine gute Woche lang in der Basilika ausgestellt.
Weg erinnert an Hermann
Inzwischen führt ein rund elf Kilometer langer Rundweg um das Kloster, der an fünf Stationen an den Heiligen erinnert. Infotafeln vertiefen entlang der Route das Wissen um Hermann Josef. Drei bis vier Stunden währt die Tour, mal durch Wald, mal durch Heide, rauf und runter jedenfalls. Anfang und Ende markiert die Klosterbasilika, eines der schönsten Gotteshäuser in der Nordeifel.
Zu Beginn des zwölften Jahrhunderts hatten Kanoniker aus der Eifel die Klosteranlage bezogen, die um 1138 die Regeln des damals noch keine zwei Jahrzehnte alten Prämonstratenserordens übernahmen. In der Folgezeit machten sie aus ihrem Haus ein geistliches Zentrum mit Zweigniederlassungen in Europa. Nach der Säkularisierung 1802 nutzte man das Kloster zu weltlichen Zwecken, ehe es 1923 die Salvatorianer übernahmen und mit neuem geistlichen Leben füllten. Heute betreiben sie neben einem Klosterladen mit Klostercafé die Akademie Kloster Steinfeld und leiten ein neues Gästehaus.
Zu den Prunkstücken der Abtei zählt bis heute der gotische Kreuzgang. Bis auf zwei sind die in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts gefertigten Glasfenster allerdings verschwunden. Die schönsten gehören heute zum Bestand im Londoner Victoria and Albert Museum. Dennoch ist das Kloster, das längst auch eine päpstliche Basilika ist, wegen seiner Kunstschätze immer eine Stippvisite wert. Dazu gehören mittelalterliche Wandmalereien wie ein Christusbild von 1170. Es zeigt Jesus von zwei Engeln umgeben mit den vier Evangelisten. Daneben die heilige Ursula mit ihrem Gefolge. Die östlichen Vierungspfeiler der Basilika zieren gotische Malereien wie ein Fresko der Gottesmutter mit dem Jesuskind. Dazu kommen meisterliche Schnitzereien aus dem Spätmittelalter, die Hermann Josef mit einem Kelch in der Hand präsentieren.
Günter Schenk
