Jesus und Thomas – Eine Begegnung für das Leben
In der Predigt zum Abschluss der Vesperkirche sprach Diözesan-Caritasdirektor Diakon Markus Müller über das Bedürfnis nach offenen Türen

Im vergangenen Jahr feierte die ökumenische Vesperkirche in Augsburg ihre erfolgreiche Premiere. Nun hat das soziale Projekt in der evangelischen Kirche St. Paul im Stadtteil Pfersee für zwei Wochen seine Fortsetzung gefunden. In seiner Predigt zum Abschluss der Vesperkirche betonte Diözesan-Caritasdirektor Diakon Markus Müller ihre besondere Art, Begegnung zu schaffen.
Liebe Schwestern und Brüder,
liebe Freunde, Gäste und Besucherinnen und Besucher unserer Vesperkirche,
das heutige Evangelium passt perfekt zum Abschluss unserer Vesperkirche!
Zwei Wochen durften wir eine ganz andere Kirche erleben, zwei Wochen standen Begegnungen von ganz unterschiedlichen Menschen in diesem Kirchenraum – Begegnungen von buchstäblich hungrigen, ratsuchenden, einsamen, kranken, helfenden, unterstützenden, hinhörenden Menschen im Mittelpunkt.
Es wurden die Bänke aus der Kirche geschafft und Tische und Stühle hineingestellt, damit Menschen besser zusammensitzen und ins Gespräch kommen können. In der Vesperkirche wurde ein großer Raum der Begegnung geschaffen.
Aber nur Tische und Stühle hinstellen – das reicht dafür nicht aus. Es bräuchte mehr für Begegnung. Die Frage stellt sich heute: Was macht Begegnung wirklich aus? Wie kann Begegnung gelingen?
Begegnung braucht offene Türen
Das heutige Evangelium berichtet von einer tiefen Begegnung zwischen dem Apostel Thomas und dem Auferstandenen.
Die Ausgangslage wäre jedoch überhaupt nicht geeignet für eine solche Begegnung. Eingeschlossen hätten sich die Jünger nach der Kreuzigung Jesu. Angst hätten sie. Zukunftssorgen plagten sie. Ihre Fragen kreisten allein darum, wie es nun weitergehen soll. Sind in einem solchen Raum überhaupt Begegnungen möglich? Wenn das Herz sich verschlossen hat. Wenn kein Zugang zum anderen möglich ist? Wenn Zukunftsängste plagen, wenn Ängste und Sorgen keinen anderen Gedanken mehr zulassen?
Jesus geht hinein in diese verschlossenen Räume. Er verschafft sich Zugang zu den verängstigten Jüngern, die sich verbarrikadiert hätten. Jesus kommt in ihre Mitte, in ihr Herz. Er nimmt ihnen damit ihre Ängste, ihre Depression und Zweifel.
Dem Evangelisten Johannes geht es also um mehr: Begegnung heißt, sich wirklich dem anderen zuwenden. In seine Lebenswirklichkeit eintauchen. Es geht nicht um Flüchtigkeit, sondern um Tiefe. Hineingehen in das Herz des anderen. Begegnungen müssen Hoffnung geben, müssen dem Leben wieder Lebendigkeit geben.
So hat auch die Vesperkirche ihre Türen weit geöffnet. Weit geöffnet soll der Kirchenraum sein, keine Herkunftsnachweise und Schufa-Auskunft, kein Nachweis über Leistung und Erfolge. Ein warmer Raum mit gutem und günstigem Essen.
Solche Begegnungsräume brauchen wir. Wo ich mein Herz öffnen und ausschütten kann. Wo Zuhörer da sind, wo ich meine Ängste vor der Zukunft und meine Zweifel ablegen kann.
Solche Räume, wo die Türen weit offen sind und Jesus mittendrin ist, brauchen wir zur Begegnung.
Begegnung braucht Vertrauen, Liebe und Berührung
Eine Begegnung bräuchte aber noch mehr als nur offene Türen. Begegnungen brauchen Vertrauen, Liebe und Berührung. Nur so kann sich das menschliche Leben entfalten. Thomas erfährt diese Zuwendung und diese Berührung von Jesus.
Hass und Hetze, wie sie unsere Gesellschaft gerade erfahren, sind die Killer von Begegnung und Austausch. Diese schüren noch mehr Angst und Depression. Die Türen werden noch mehr verbarrikadiert. Abschottung, Mauern sind die Folge.
Daher schafft die Vesperkirche einen Begegnungsort, wo den Besuchern vorbehaltlos Zuwendung und Liebe geschenkt werden sollen, wo das Menschsein Berührung, Wertschätzung und Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Wo jeder erfährt: Du bist wertvoll, so wie du bist, auch mit deinen Ängsten, Sorgen und Fragen. Du Mensch, du bist geliebt.
Begegnung braucht das Menschsein
Aber auch das reicht dem Evangelisten Johannes immer noch nicht zur Beantwortung der Frage, was Begegnung wirklich ausmacht. Jesus geht noch einmal einen Schritt weiter: Er zeigt dem Thomas sogar seine Wunden. Jesus, der König, der Retter und Heiland, er zeigt dem Thomas seine Verletzlichkeit, seine Narben und seine Machtlosigkeit. Thomas darf seinen Finger in diese Wunden legen. In das ganze Menschsein von Jesus.
Viele Menschen sind in den vergangenen zwei Wochen in diese Kirche gekommen. Mit ihren Wunden und Verletzungen. Mit ihrem Scheitern, mit ihren Krankheiten und allen Belastungen.
Vesperkirche ist eine Kirche, die die Finger in diese Wunden legt. Eine Kirche, die greifbar wird. Die sich nicht scheut, zu den Menschen mit ihren Verletzungen zu gehen. Die nicht wartet, bis die Menschen kommen. Die hineingeht in die verschlossenen Räume und Herzen und Türen weit öffnet. Eine Kirche, die den Menschen mit seinem Menschsein, mit seinem Leben, mit seinen Wunden und Narben in die Mitte stellt.
Liebe Schwestern und Brüder!
Wir brauchen eine liebende Kirche, wo greifbare Begegnung für das Leben stattfindet. Wir brauchen diese Vesperkirchen. Amen
ICH GLAUBE AN GOTT
„Mein Herr und mein Gott!“ – Mit diesem persönlichen Bekenntnis antwortet Thomas in der Begegnung mit Jesus. Es ist keine theologische Aussage, sondern ein ganz persönliches Bekenntnis.
Thomas spricht dieses Glaubensbekenntnis aus der Erfahrung der Liebe, die er in der Begegnung mit Jesus erhalten hat.
Welches persönliche Glaubensbekenntnis haben Sie? Was bedeutet Ihnen Gott, was sagt Ihnen Jesus Christus?
Sie sind nun eingeladen, aus dem nun folgenden Glaubensbekenntnis Ihr persönliches Bekenntnis im Herzen zu erspüren und zu formulieren.
Ich glaube an einen Gott,
der mich einzigartig und kostbar geschaffen hat.
Als sein Abbild bin ich unendlich wertvoll und heilig. Er liebt mich vorbehaltlos von Beginn meines Lebens an. Er ist ein Gott, der da ist.
Sein Segen begleitet mich alle Tage meines Lebens.
Ich muss ihm nichts vorweisen.
So, wie ich bin, mit meinem Menschsein, bin ich geliebt.
Ich glaube an einen Gott,
der will, dass mein Leben gelingt und sich entfalten kann.
Durch mich soll seine Liebe in die Welt gebracht werden.
Er ist die Kraft meines Lebens,
damit ich seine Liebe in diese Welt bringe und so mitwirke an seinem Reich.
Einem Reich, wo die Niedrigen erhoben und die Mächtigen gestürzt werden.
So sendet er mich zu den Schwachen, Kranken und Unterdrückten dieser Welt,
um ihnen Teilhabe zu ermöglichen und Würde und Stimme zu geben. Er führt mich in die Weiten des Lebens,
er spricht mir Mut zu und will, dass ich aufbreche zu den Menschen.
Ich glaube an Jesus Christus,
durch Maria hineingeboren in diese Welt.
Er geht hinein in unsere Ställe und legt sich in die Futtertröge des Lebens. Er sitzt mit mir im Boot, wenn Stürme mein Leben bedrohen.
Er heilt die Verwundeten, macht Blinde sehend.
Er liebt zutiefst die Menschen,
seine Liebe stößt an, er wird zum Anstoß
und wird gekreuzigt.
Aber seine Liebe ist größer als der Tod.
Durch seine Auferstehung erfährt mein Leben Wandlung und Hoffnung. Das Kreuz wird so zum Pluszeichen für mein Leben.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
der mich belebt und mir Atem gibt.
Er ist das Feuer, wenn ich ausgebrannt und müde bin.
Er belebt mich immer wieder neu,
lässt mich tanzen und Freude am Leben spüren.
Er öffnet Türen und bläst frischen Wind in unsere Kirchen. In dieser kann jeder mit seinem Menschsein Platz finden und das Fest der Auferstehung miteinander feiern.
Amen.