Bistum Augsburg: Weihbischof Florian Wörner erteilt wieder selbst Religionsunterricht

Zurück an die Basis

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AUGSBURG – Rund 140 000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene besuchen den katholischen Religionsunterricht an den Schulen im Bistum Augsburg. Seit Beginn des laufenden Schuljahres gibt auch Weihbischof Florian Wörner, Bischofsvikar für Schule und Leiter der Hauptabteilung Schule, erstmals nach 15 Jahren wieder Religionsunterricht. Er hält freitagvormittags zwei Stunden in einer 5. Klasse der Realschule Maria Ward in Augsburg mit 21 Mädchen und Buben. Erfahrung darin hat er aus seiner Zeit als Kaplan, Pfarrer, Regionaljugendseelsorger und Diözesanjugendpfarrer.

Herr Weihbischof, warum ist es Ihnen wichtig, selbst Religion zu unterrichten?

Zunächst einmal gehe ich sehr gerne in den Unterricht. Ich wollte anknüpfen an Erfahrungen, die ich bis vor 15 Jahren machen durfte. Und als einer, der Woche für Woche Entscheidungen trifft mit den Verantwortlichen für unser Schulwerk und die Schulabteilung, wollte ich wieder sehr konkret an die Basis zurückkehren, um qualifiziert entscheiden und mitreden zu können. Und das Dritte war, über einen längeren Zeitraum und nicht nur punktuell, wie etwa bei Begegnungen mit Firmlingen, mit Kindern und Jugendlichen beisammen zu sein und sie begleiten zu dürfen. Zwei Stunden die Woche ein ganzes Schuljahr zu geben, das ist eine andere Erfahrung, als wenn man kurz vor der Firmung eine Stunde mit Firmlingen zusammen ist oder in der Jugendarbeit punktuell in einer Pfarrei oder bei Festivals mit Jugendlichen zu tun hat. Ich wollte darüber hinaus ins Bistum hinein ein Signal geben, dass Religionsunterricht wichtig ist und dass es gut ist, wenn wir als Geistliche, aber auch als Mitarbeiter der Pastoral in der Schule aktiv sind.

Sie haben zuletzt vor 15 Jahren unterrichtet. Hat sich der Unterricht und haben sich die Schüler seither verändert?

In allen Schularten gibt es einen neuen Lehrplan. Ich kann also nicht auf bereits Erarbeitetes zurückgreifen. Zweitens haben sich natürlich die Kinder verändert, ihre Fragen, ihre Herkunft. Auch die Heterogenität ist gewachsen. Und drittens gibt es Veränderungen in der Schul-
organisation. Als ich vor 15 Jahren zuletzt unterrichtet habe, lag noch ein Klassenbuch auf dem Lehrerpult. Man hat da seine Eintragungen gemacht, welche Schüler fehlen und welche Hausaufgaben zu tätigen sind. Jetzt habe ich ein Tablet dabei und trage ein, welche Kinder krankgemeldet sind und solche Dinge. Vieles läuft digital, man kann so sehr zeitnah mit den Eltern und dem Lehrerkollegium kommunizieren.

Werden denn im Unterricht auch Tablets und Künstliche Intelligenz eingesetzt oder spielt das im Religionsunterricht noch keine Rolle?

Ich bin in einer 5. Klasse, da gehen wir das sehr langsam an. Erst zum Halbjahr bekommen die Kinder Tablets, und mal schauen, ob ich die im Religionsunterricht schon einsetze. Mir ist es wichtig, dass ich als Lehrerpersönlichkeit da bin, dass wir in Begegnung miteinander kommen und auf diese Weise Christus bezeugt wird. Da spielt Kommunikation eine ganz wichtige Rolle. Ich muss gestehen, ich habe noch keinen Plan dazu, aber grundsätzlich werden ab dem Halbjahr in den 5. Klassen Tablets eingesetzt.

Wie gelingt es Ihnen denn heute noch, die Kinder für Geschichten aus der Bibel, für das Wirken Jesu zu begeistern?

Ich stelle fest, dass das in der 5. Klasse an einer katholischen Schule gut möglich ist. Die Kinder machen mit und zeigen Interesse. Die Methoden sind ganz unterschiedlich, vom einfachen Lesen in der Bibel bis hin zum Rollenspiel und zur künstlerischen Gestaltung der biblischen Texte. Aber das wichtigste ist nach meinem Dafürhalten, dass die Lehrerpersönlichkeit sich einbringt mit ihrem Zeugnis und mit ihrem Glauben.

Und wie machen Sie das?

Indem ich auch von mir selber spreche und versuche, auf die Fragen der Kinder und Jugendlichen einzugehen und verständliche Antworten zu geben. Und zwar nicht nur auf einer theoretischen Ebene, sondern durchaus auch so, dass mein Zeugnis dabei ist.

Was ist Ihrer Meinung nach die Hauptaufgabe des Religionsunterrichts? Ist es die Wissensvermittlung oder auch die Persönlichkeitsbildung der Kinder?

Im Religionsunterricht wird der Raum eröffnet, unseren schönen Glauben zu kommunizieren, ihn zum Thema zu machen, ihn zu reflektieren und mit dem eigenen Leben zu verbinden. Dabei geht es selbstverständlich auch darum, Impulse für die eigene Persönlichkeitsentfaltung zu geben, Wertebildung zu fördern und Sinnfragen anzusprechen: Warum bin ich hier? Woher komme ich? Wohin geht’s? Was ist das Ziel meines Lebens? Das sind ja grundlegende Fragen, die womöglich in keinem anderen Fach so intensiv angesprochen werden können wie in diesem. Deshalb ist der Religionsunterricht auch so wichtig.

Im Bistum Augsburg werden zirka 140 000 Kinder und Jugendliche mit dem Religionsunterricht erreicht. Doch es gibt Klagen, für manche Kinder sei das Schulfach das erste und einzige Mal, dass sie mit Religion überhaupt in Verbindung kommen. Können Sie das bestätigen?

Natürlich gibt es die intensive Arbeit in den Pfarrgemeinden, Verbänden und Bewegungen und weitere Orte, wo Kinder mit Glaube und Kirche in Berührung kommen. Aber tatsächlich ist für eine nicht geringe Zahl von Kindern und Jugendlichen, die in der Pfarrei nach der Erstkommunion und Firmkatechese nicht mehr auftauchen, der Religionsunterricht die letzte Möglichkeit, mit der Botschaft des Glaubens und der Kirche in Kontakt zu kommen. Das sagen auch kirchliche Dokumente.

Kann man diesem Trend entgegenwirken?

Ich meine schon. Wichtig scheint mir dabei, dass der Religionsunterricht mit den Pfarrgemeinden und den Einrichtungen der Kirche kooperiert und Orte der Kirche aufsucht. Zur Maria-Ward-Woche Ende Januar habe ich zum Beispiel eine Schwester der Congregatio Jesu (Maria-Ward-Schwestern, die nebenan wohnen) in den Unterricht eingeladen und bin außerdem mit den Schülern zur Kloster- und Schulkirche gegangen, um diese von einer Schwester erklären zu lassen. Für Pfarrer, Kapläne und pastorale Mitarbeiter gibt es die Möglichkeit der sogeannten Kontaktstunden. Wer selbst keinen Religionsunterricht mehr hält, kann auf die Religionslehrkraft zugehen und zu bestimmten Themen einzelne Stunden übernehmen, um so Kontakt zu den Kindern zu bekommen und Inhalte wie die Sakramenten-Vorbereitung vertiefen.

Die Bischof-Ulrich-Realschule in Augsburg startet im kommenden Schuljahr in den 5. Klassen ein Modell für selbst organisiertes Lernen. Die Schüler dürfen dann selbst entscheiden, mit welchem Fach sie sich zu welchem Zeitpunkt beschäftigen. Wie haben Sie die Vorbereitung begleitet und was halten Sie von diesem Konzept?

Das komplette Kollegium der Bischof-Ulrich-Realschule hat entschieden, diesen neuen Weg im Schuljahr 25/26 einzuschlagen. Hintergrund ist der, dass die Schülerschaft gerade an dieser Schule sehr heterogen ist. Und dennoch verlangen wir nach wie vor von allen Kindern und Jugendlichen, im Dreiviertelstundentakt und im gleichen Tempo dieselben Inhalte mit denselben Methoden zu erlernen. Das ist, wenn man genau hinschaut, eigentlich fast nicht mehr möglich.

Wir haben uns deshalb Modellschulen in Deutschland und in der Schweiz angeschaut, die den Weg, den wir jetzt einschlagen, schon mit gutem Erfolg gehen. Wir wollen erreichen, dass Kinder und Jugendliche ihren Lernprozess künftig mit mehr Selbständigkeit und Eigenmotivation angehen und dass das nicht mehr nur der Lehrerin und dem Lehrer überlassen wird. Die Schüler sollen sich die Inhalte mit mehr Eigenverantwortung aneignen und erschließen.

Die Klassenzimmer werden aufgelöst. Dafür gibt es Räume für den theoretischen Input, den Austausch untereinander sowie Orte für das persönliche und vertiefte Lernen beziehungsweise Anwenden. Eines ist klar: Am Ende geht es um das Bestehen der Prüfung der Mittleren Reife, die der Staat vorgibt. Wir sind sehr zuversichtlich. Die Beispiele der besuchten Schulen zeigen uns, dass das mit gutem Erfolg möglich ist. Es wird einiges an Umstellung bedeuten, aufwendige Vorbereitungen sind notwendig und natürlich auch die Qualifizierung der Lehrkräfte, die sich darauf einlassen. Wir fangen jetzt einmal mit den 5. Klassen an. Die erste Resonanz seitens der Elternschaft ist sehr vielversprechend.

Interview: Barbara Lang/Ulrich Schwab

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