Kirchenmusiker komponiert
Die Festplatte als Werksarchiv

ILLERTISSEN – In St. Martin in Illertissen (Kreis Neu-Ulm) wird musiziert und auch komponiert. Kirchenmusiker Wolfram Seitz hat sich von dem alten Kirchturm zu einem „modernen“ Ave Maria inspirieren lassen. Die Uraufführung wurde begeistert aufgenommen.
Mit Antritt von Seitz als neuem Kirchenmusiker im Januar 2023 hat die Pfarrei St. Martin in Illertissen ihren eigenen Komponisten bekommen. Da ist es eine feine Sache, wenn man wie jüngst bei einem adventlichen Benefizkonzert zugunsten des sanierungsbedürftigen Kirchturms mit einer Uraufführung punkten kann: Ein modernes Ave Maria nennt Seitz seine Vertonung für Chor und Orchester.
Weil der mittelalterliche Kirchturm gerade Thema ist, ließ sich Seitz von seiner in die Höhe strebenden Struktur zu der Komposition inspirieren. Warum sein Stück die Bezeichnung „Ave Maria“ trägt, habe auch ein bisschen persönliche Gründe, sagt er. „Aber vor allem ist es ein sehr katholischer Titel.“
Für den Aufbau seines Werks hat sich der Musiker an der Architektur des Kirchturms orientiert: Dieser besitzt ein gewichtiges Fundament, Zierornamente und eine Verjüngung nach oben. Auch die seit 500 Jahren dort befindliche Martinsglocke findet in der Komposition ihren Widerhall. Das Stück beginnt mit wiederkehrenden tiefen Streicherpassagen, worauf die hohen Geigen antworten, bis der Chor mit hellem Sopran das sphärische Klanggemälde bald überstrahlt.
Als ob damit die Umrisse des Turms abgesteckt wären, geht die Komposition nun in die Details, indem die hohen Streicher in repetierenden Figuren, Umspielungen und mit flirrenden Klängen die Ausschmückungen des Turms bis zum filigranen Oktogon abbilden. Tiefe Tonwiederholungen erinnern an Glockengeläut. Musikliebhabern, die die ansteigenden Arpeggien des Ave Maria von Bach/Gounod im Ohr haben, dürfte das gefallen. Spannend ist allemal, wie der Komponist die stimmlichen und instrumentalen Tonumfänge ausreizt. Seine Version lässt sich als „modernes Ave Maria“ mit seinen zeitgenössischen Harmonien durchaus in die Reihe der bekannten Vertonungen stellen.
Die zweite Uraufführung
Wolfram Seitz hat das Stück auf Kammerchor und Mitwirkende des Kammerorchesters in St. Martin zugeschnitten, sodass es die Musiker aus den eigenen Reihen aufführen können. Für Illertissen war das nun schon die zweite Uraufführung unter seiner Regie: Am Karfreitag gab es in der Stadtpfarrkirche bereits die von ihm vertonten „Sieben letzten Worte Jesu“ zu hören.
Seitz, Jahrgang 1989, wuchs in Thannhausen auf und absolvierte an der Universität Mozarteum Salzburg sein Studium der Kirchenmusik mit A-Diplom. Um zu komponieren, greift er sogar noch zu Stift und Notenpapier, dann aber auch in die Tasten, um die Ergebnisse in sein Notenprogramm einzugeben. Bei Bedarf werden Partitur oder einzelne Stimmen auf Papier ausgedruckt. Ansonsten ersetzt die Festplatte den Notenschrank.
„Mein Werksarchiv ist die externe Festplatte“, sagt der Musiker. Das erleichtert dem Musikschaffenden die Vorgehensweise, indem er fertige Stücke oder auch Fragmente speichern kann, um jederzeit damit zu arbeiten. Seine Inspirationen holt sich Seitz von überall. Manche würden aufgehoben und andere unmittelbar umgesetzt, sagt der Illertisser.
Mit der Vertonung seines modernen Ave Maria voller aufsteigender Harmonien angesichts des alten, 48,75 Meter in die Höhe ragenden Kirchturms ist ihm etwas Besonderes gelungen.
Regina Langhans