Kritik von Experten

Organspende: FDP für neue und erweiterte Todesdefinition

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Foto: Thorben Wengert / pixelio.de
Ein Organspendeausweis schafft Klarheit darüber, ob jemand seine Organe nach dem Hirntod spenden will oder nicht.

Die FDP-Fraktion im Bundestag spricht sich für eine Ausweitung der Todesdefinition als Voraussetzung für die Organspende aus. Demnach soll künftig auch der Herz-Kreislauf-Stillstand Grundlage für eine Organentnahme sein – bisher musste zwingend der Hirntod nachgewiesen werden. Das geht aus dem Entwurf eines Positionspapiers hervor, über das die FDP-Fraktion am Dienstag beraten hat und das der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorliegt. Beschlossen wurde das Papier noch nicht. Die „Welt“ berichtete zuerst darüber.

Ziel der erweiterten Definition sei es, die in Deutschland weiterhin geringe Zahl der Organspenden zu erhöhen. „Noch immer steht der Anzahl an Organspendern ein Vielfaches an Menschen auf der Warteliste gegenüber: Ende 2023 warteten 8.716 Menschen auf ein rettendes Spenderorgan“, sagte FDP-Rechtspolitikerin Katrin Helling-Plahr der Zeitung.

Viele der Wartenden müssten sterben, ohne je ein Spenderorgan zu erhalten, fügte sie hinzu: „Deshalb wollen wir die bereits bestehende Möglichkeit einer Organspende nach einem Hirntod um die zusätzliche Option einer selbstbestimmten Organspende auch nach Herz-Kreislauf-Tod ergänzen.“

Potenzielle Spender sollen ihren Willen dann über ein explizit dafür vorgesehenes zusätzliches optionales Feld im Organspende-Register oder auf Organspendeausweisen festhalten können, ergänzte Helling-Plahr.

Nur wenige Patienten erleiden auf der Intensivstation einen Hirntod, also den unumkehrbaren Ausfall der gesamten Hirnfunktionen. Die meisten sterben an Herz-Kreislauf-Versagen. In Ländern wie Großbritannien, Spanien, Niederlande, Belgien, Schweiz und USA sind Organspenden nach Herz-Kreislauf-Stillstand bereits erlaubt und führten zum Teil zu einem Anstieg der Organspenden.

In Deutschland dagegen gaben Mediziner bisher oft zu bedenken, die Feststellung des Herz-Kreislauf-Todes berge ein höheres Risiko für Fehldiagnosen. Diese Einschätzung gelte bei vielen Wissenschaftlern mittlerweile als überholt, sagte Andrew Ullmann, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. Der Tod nach einem anhaltenden Kreislaufstillstand sei medizinisch mit dem Hirntod gleichzusetzen.

Der Moraltheologe und Ethiker Andreas Lob-Hüdepohl warnte dagegen vor übereilten Änderungen. „Ob ein Herz-Kreislauf-Tod als Kriterium für den endgültigen Tod eines Menschen ausreicht, ist durchaus umstritten“, sagte er der KNA.

Wenn überhaupt, dann sei der Herz-Kreislauf-Tod als ausreichendes Todeskriterium nur unter drei Voraussetzungen legitim: Erstens müssten etwaig ergriffene Reanimationsmaßnahmen erfolglos geblieben sein. Oder die betroffene Person müsse zweitens auf jegliche Reanimationsversuche verzichtet oder diese über eine Notfall-Patientenverfügung kategorisch verboten haben. Und drittens müsse die betroffene Person einer Organspende nach erfolgtem Herz-Kreislauftod ausdrücklich zugestimmt haben.

Damit müssten aber alle derzeit wieder aufflammenden Überlegungen zu einer Widerspruchslösung vom Tisch genommen werden, sagte Lob-Hüdepohl. Er befürchte, dass durch einen gewissen Graubereich des Herz-Kreislauf-Todes in der Öffentlichkeit eine Verunsicherung entstehe, die die Bereitschaft zur Organspende sinken lasse.

Dem könne man nur begegnen, wenn man offensiv aufkläre und an einer proaktiven Entscheidung für eine Organspende festhalte. Es dürfe keinesfalls der Eindruck entstehen, man ginge leichtfertig mit dem Todeskriterien um, nur um eine prekäre Marktlage an Organe zu beheben.

Klar gegen den FDP-Vorschlag stellte sich die Deutsche Stiftung Patientenschutz. Nur bei einem Hirntod sei der Tod irreversibel, betonte deren Vorstand Eugen Brysch. Es spiele auch eine Rolle, ob die Organentnahme fünf, zehn oder 20 Minuten nach Herzstillstand erfolge. Doch genau zu diesen Fakten finde sich nichts im FDP-Antrag, kritisierte Brysch. Mit derartigen ethischen Fragen werde sich der Bundestag beschäftigen müssen, wenn der Herzstillstand als Voraussetzung für die Organentnahme festlegt werden solle. Brysch warnte davor, eine Widerspruchslösung mit der Herztod-Diskussion zu verbinden.

Auch die Grünen lehnten den FDP-Vorstoß ab. Die Grünen-Abgeordnete Kirsten Kappert-Gonther sagte der „Welt“, sie halte die geltende gesetzliche Regelung zum Hirntod unter den aktuellen Bedingungen als Voraussetzung für eine Organspende für sinnvoll – „insbesondere in Bezug auf das Vertrauen der Bevölkerung“.

KNA

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