Religiöses Volksfest in Belgien
Maria hilft ins Himmelreich

Ihre roten Bäckchen kennt jeder in Hasselt, der belgischen Provinzmetropole gleich hinter der deutschen Grenze. Die Virga Jesse ist das Aushängeschild der Stadt, eine kleine Marienfigur aus farbig bemaltem Eichenholz. Alle sieben Jahre kommt die Stadtpatronin zu großen Ehren: wenn die Bürger ihre gotische Madonna feierlich durch die Straßen tragen.
Fast den ganzen August schlüpft Hasselt dann ins Festkleid. Blumen und Fahnen zieren die alten Viertel im Zentrum. Die Krönung der Festwochen sind die drei großen Prozessionen am 15., 18. und 24. August, die die Menschen in Hasselt zu Ehren ihrer Heldin veranstalten, einer wundertätigen Figur der Muttergottes aus dem 14. Jahrhundert.
Unversehrt geblieben
Übernatürliche Erscheinungen werden ihr zugeschrieben. So soll ein Kind, das einst aus dem Fenster fiel, durch Marias Fürsprache unversehrt geblieben sein. Auch ein Dachdecker, der schwer gestürzt war, verdankt der Madonna der Überlieferung zufolge sein Leben. Es sind Wunder wie diese, von denen zum Fest im August auch ein eigener Podcast erzählt.
Maria zu Ehren zeigt sich Hasselt deshalb alle sieben Jahre von seiner besten Seite. Blumenarrangements prägen Straßen und Häuser. Kirchen und Rathaus sind festlich beflaggt, überall hängen gelb-weiße Fahnen. In Fenstern, Türen und Hofeinfahrten stehen Muttergottes-Figuren, kleine und große Madonnen, Kitsch und Kunst auf engstem Raum.
Höhepunkt aller Feierlichkeiten sind die Prozessionen, die viele hundert kostümierte Bürger und zahlreiche Festwagen vereinen. Auch dieses Jahr sind sie wieder theologisches Programm, verweist ihr Motto auf die Suche des Menschen nach Gott. Um Authentizität und Verbundenheit geht es. Um Werte, nach denen sich viele Menschen heute sehnen und die längst auch die jahrhundertealte Tradition des Fests ausmachen

„Viele von uns suchen heute nach Authentizität“, sagt der Pfarrer der Liebfrauenkirche. „Wir sehnen uns danach, ‚real‘ zu sein und ‚real‘ sein zu können und zu dürfen.“ Wie das aussehen kann, wollen die Figuranten, also die Teilnehmer am Festzug, auch diesmal wieder in Farben und Formen, Spiel und Tanz ausdrücken – in bunten Szenarien, die Sehnsüchte und Träume verkörpern sowie Erfahrungen des Glaubens. Jesus lässt die Menschen nicht allein – so lautet die Botschaft aus Hasselt. Dabei hilft die Virga Jesse, deren gotische Statue den Zug durchs Städtchen krönt. „Mit ihr kannst du sein, wer du bist“, heißt es. „Sie ist für alle da, bei ihr ist jeder willkommen.“
Hasselts Marienkult hat eine lange Tradition. Schon im frühen 14. Jahrhundert gab es eine Marienbruderschaft, die als Träger der Prozession aber erst 1495 in Erscheinung trat. 1682 führte man den siebenjährigen Umzugsturnus ein. 1814 veranlasste der große Zuspruch die Organisatoren, die Prozession gleich zweimal durch Hasselt zu schicken. 1947 schließlich hängte man noch einen Festsonntag an. Aus der Virga-Jesse-Feier wurde beinahe ein ganzer Festmonat.
Am liebsten in Blau
Mehr als ein Dutzend Pfarreien tragen heute das Fest, schneidern Kostüme und Kleider für Umzüge und Konzerte. Am liebsten nutzen sie die Farbe Blau, die Farbe Mariens. Ihr Name Jesse geht auf den Stammbaum Jesu zurück, der meist in Gestalt eines wirklichen Baums dargestellt wird, den Maria mit dem Jesuskind krönt. Er bringt die Überzeugung zum Ausdruck, dass Maria als Mutter Jesu im göttlichen Reich selbst königliche Würde besitzt. Deshalb trägt sie eine Krone.
Besondere Reverenz erweisen die Bürger Hasselts auch „De Langeman“, einer großen Figur, hinter der sich der heilige Christophorus verbirgt. Auch er wird für gewöhnlich nur alle sieben Jahre aus dem Stadtmuseum geholt, wo er sonst zu Hause ist. Die riesenhafte Figur, die 1810 zu ihrer heutigen Gestalt fand, nimmt vor der Virga-Jesse-Basilika an der Verteilung der Erbsensuppe am 19. August teil. Sie kommt traditionell den Armen in der Stadt zugute.
Günter Schenk
Information
Die Virga-Jesse-Prozessionen finden in diesem Jahr am 15. und 18. August jeweils nachmittags und am 24. August abends statt. Während der Festwochen vom 11. bis 25. August gibt es Ausstellungen und Konzerte sowie spezielle Stadtführungen. Infos im Internet unter www.virgajessefeesten.be.