„Verankert in der Hoffnung - Gott dienen in Rat und Tat“
Predigt von Bischof Bertram Meier bei der Messfeier anlässlich der Frühjahrsvollversammlung des Diözesanrats der Katholiken

Schriftlesungen: Jes 61,1-3a.6a.8b-9; Lk 4,16-21
Sehr geehrte Mitglieder des Diözesanrats, liebe Schwestern und Brüder,
„Spes non confundit.“ – „Die Hoffnung lässt nicht zugrunde gehen“ (vgl. Röm 5,5). Mit diesen Worten hat Papst Franziskus seine Bulle zum „Heiligen Jahr 2025“ überschrieben und alle Menschen eingeladen, in den kommenden Monaten auf ganz persönliche Weise Jesus Christus kennenzulernen, den die Kirche seit ihren Anfängen als „unsere Hoffnung“ (vgl. 1 Tim 1,1) verkündet hat, wie es im ersten Brief des Apostels Paulus an Timotheus heißt.
So weit, so gut, könnte man denken, aber der Papst weiß und schreibt das auch so, dass gerade unsere Zeit nicht unbedingt von Hoffnung erfüllt ist. Im Gegenteil: Viele Menschen blicken mit Skepsis und Pessimismus in die Zukunft, wozu sicherlich auch die täglichen Nachrichten beitragen. Schon die ersten Wochen dieses Jahres konfrontierten uns mit Bildern von Naturkatastrophen wie dem Erdbeben in Tibet oder den Waldbränden in Kalifornien, wobei mittlerweile immer häufiger die Frage gestellt wird nach einer Mitschuld der Menschen angesichts des Klimawandels. Währenddessen herrscht in anderen Teilen der Welt wie der Ukraine seit Jahren Krieg mit unzähligen Toten. Und auch hier in Deutschland haben die Attentate von Magdeburg und Aschaffenburg bei vielen Menschen Wut, Angst und Trauer hinterlassen.
Wie also sollen wir angesichts solcher Erfahrungen zuversichtlich sein, und was können wir als Kirche, speziell auch Sie als Rätinnen und Räte beitragen, damit die Hoffnung in diesem Heiligen Jahr wiederauflebt, wie von Papst Franziskus gewünscht? Um diese Frage beantworten zu können, habe ich mir mal die Mühe gemacht, das für alle Diözesanräte grundlegende Schreiben des Zweiten Vatikanischen Konzils über das Laienapostolat Apostolicam Actuositatem nochmal etwas genauer anzusehen und danach zu fragen, an welchen Stellen bereits hier von Hoffnung die Rede war und inwiefern sich die aufgezeigte Perspektive im Laufe der letzten sechzig Jahre verändert hat. Tatsächlich taucht der Begriff fünfmal in unterschiedlichen Zusammenhängen auf, zu denen ich Ihnen jeweils kurz meine Gedanken mitgeben möchte.
1. Hoffnung als eine Verwirklichung des Laien-Apostolates
Da ist zunächst die Rede davon, dass das Apostolat sich generell in Glaube, Hoffnung und Liebe verwirklicht – jene drei göttlichen Tugenden, die vom Heiligen Geist in die Herzen aller Glieder der Kirche ausgegossen werden (vgl. AA 3). Wenn wir über diese Aussage etwas nachdenken, können wir erkennen, dass wir als Gläubige also zunächst einmal gar nichts machen müssen, sondern ganz darauf vertrauen dürfen, dass die Hoffnung uns von Gott geschenkt wird. Als entscheidende Voraussetzungen hierfür werden unsere Taufe und Firmung genannt, bei denen wir uns Gott übergeben haben, der uns mit seinem Geist erfüllen und innerlich stärken will.
Machen wir uns also immer wieder bewusst, dass es Gott selbst ist, der in uns wirkt. Allein daraus können wir Hoffnung schöpfen. An diesem Glauben hat sich bis heute nichts verändert, und so schreibt auch Papst Franziskus in seiner Bulle zum Heiligen Jahr: „Es ist nämlich der Heilige Geist, der mit seiner beständigen Gegenwart in der pilgernden Kirche das Licht der Hoffnung in den Gläubigen verbreitet. Er lässt es brennen wie eine Fackel, die nie erlischt, um unserem Leben Halt und Kraft zu geben.“ (Nr. 3)
2. Hoffnung gründet im Glauben an Jesus Christus
Ein zweiter Aspekt der Hoffnung, den die Konzilsväter betonen, taucht im Kapitel über die Spiritualität von Laien auf. Konkret geht es um die Beziehung zum Gottessohn Jesus Christus, in dem wir „Quell und Ursprung des gesamten Apostolates der Kirche“ (AA 4) finden. Wie viele von Ihnen sicher wissen, feiern wir in diesem Jahr das Jubiläum „1.700 Jahre Konzil von Nizäa“. Ohne Übertreibung kann man diese erste ökumenische Versammlung als einen Meilenstein der Kirchengeschichte bezeichnen, denn neben zwanzig kleineren und eher unbekannten Beschlüssen fanden die Bischöfe nach intensiven Diskussionen zu der fundamentalen Erkenntnis, dass Jesus Christus seinem göttlichen Vater „homooúsios“, „wesensgleich“ ist. Er ist demnach nicht ein Geschöpf, auch nicht mit einer gewissen „Vorrangstellung“, wie von dem Priester Arius aus Alexandria behauptet, sondern wirklich der Sohn Gottes, der aus dem Wesen des Vaters stammt und allen Menschen dessen Liebe offenbart. Dies ist umso mehr zu unterstreichen, weil der Glaube an einen personalen Gott, der sich in Jesus Christus zu erkennen gegeben hat, zumindest in Deutschland seit Jahren massiv zurückgeht. Hier müssen wir als Katholikinnen und Katholiken klare Kante zeigen und dem Trend entgegenwirken, wonach das Gottesbild immer diffuser zu werden droht, und der menschgewordene Schöpfergott zunehmend durch eine wie auch immer geartete, unbestimmte „Macht“ oder „Energie“ ersetzt wird.
3. Hoffnung, die sich ausbreitet
Das Konzil von Nizäa ist aber auch noch aus einem anderen Grund wichtig, an den Papst Franziskus in seiner Bulle erinnert: „Alle Getauften, jeder mit seinem eigenen Charisma und Dienst, sind mitverantwortlich, dass vielfältige Zeichen der Hoffnung die Gegenwart Gottes in der Welt bezeugen.“ (Nr. 17) Dies entspricht drittens ganz dem erklärten Auftrag des Laienapostolates, am Aufbau des Reiches Gottes mitzuwirken (AA 4). Wie das konkret geschehen kann, haben wir an einigen Stellen in den heutigen Tageslesungen gehört: Armen Unterstützung geben, Gefangenen zu Hilfe kommen und gebrochene Herzen heilen (vgl. Jes 61,1). Das heißt: Dem Beispiel Jesu Christi folgen und alle Menschen als Ebenbilder Gottes mit unverletzlicher Würde ansehen, die es weltweit zu schützen gilt. Wer den Papst kennt, weiß, dass ihm dieser soziale Aspekt des christlichen Glaubens besonders wichtig ist. Darum nehmen die „Zeichen der Hoffnung“ (Nr. 7-15), wie Franziskus den Umgang mit Älteren, Kranken und Migranten beschreibt, einen großen Teil seiner Bulle ein.
Auch wir sind heute gefragt, in Wort und Tat dafür einzutreten, dass gerade die Schwächsten nicht ausgegrenzt oder benachteiligt werden, und dass Fremdenhass absolut keinen Platz in der Kirche hat. Hierin sehe ich einen wichtigen Auftrag der Diözesanräte, stets wachsam zu sein und die Stimme zu erheben, wo das Heil von Mensch und Schöpfung gefährdet ist. Bitte begleiten Sie darum auch weiterhin mit kritischem Blick die Entwicklungen in Kirche, Politik und Gesellschaft, damit Missstände behoben und die Frohe Botschaft Jesu für alle Menschen Wirklichkeit werden kann.
4. Hoffnung auch in schweren Zeiten
Ein vierter Aspekt der Hoffnung ist der Umgang mit Leid. Ich habe eingangs bereits auf die vielen Krisen in der Welt hingewiesen, doch kennt wohl jede und jeder von uns auch ganz persönlich Phasen im Leben, als wir von Sorgen niedergedrückt wurden. Das sind Wüstenzeiten, die uns ermüden lassen und in manchen Fällen sogar an den Rand des Zusammenbruchs bringen. Doch können wir, „inmitten der Widrigkeiten dieses Lebens (…) Kraft in der Hoffnung“ (AA 4) finden, wie die Konzilsväter schreiben, indem wir ganz darauf vertrauen, dass „die Leiden dieser Zeit in keinem Verhältnis zu der kommenden Herrlichkeit stehen, die in uns offenbar werden wird“ (Röm 8,18).
Heutzutage mögen diese Worte für manch einen nach einer Vertröstung klingen. Sie fordern konkrete Hilfen und Strategien zur Krisenbewältigung im Hier und Jetzt. Diesen Menschen stellt Papst Franziskus in seiner Bulle das Bild des Ankers vor Augen, welcher für Stabilität und Sicherheit steht, die uns inmitten der unruhigen Gewässer des Lebens gegeben ist und auch die schwersten Prüfungen überwinden lässt, wenn wir auf Jesus, den Herrn, vertrauen (Nr. 25) und seinem Beispiel folgend, anderen helfen. Darin gründet nämlich die Hoffnung, Kraft von Gott zu erlangen und, wo es möglich ist, an andere weiterzugeben.
So bitte ich Sie darum, gut auf sich und Ihren inneren Einklang zu achten, gleichzeitig aber auch wahrzunehmen, wo Menschen in ihrem Umfeld körperlich oder seelisch leiden. Seien Sie für sie da. Spüren Sie, was diese Menschen jetzt brauchen. Und nicht zuletzt: Beten Sie dafür, dass Jesus ihnen fühlbar mit seiner Liebe entgegenkommt und die Hoffnung in ihren Herzen dadurch wieder aufleuchten kann.
5. Hoffnung, die in konkreten Taten sichtbar wird
Damit komme ich zum fünften und letzten Punkt. Hoffnung, so die Konzilsväter, zeigt sich auch darin, dass „Laien ihr Leben durch die Liebe beleben“ und dies nicht nur durch Worte, sondern „möglichst durch die Tat zum Ausdruck bringen“ (AA 16).
Gemäß der Satzung des Diözesanrats gibt es ja verschiedene Aufgaben, von denen einige eher verbal akzentuiert sind, wie zum Beispiel die Erarbeitung von Stellungnahmen zu Fragen des öffentlichen und kirchlichen Lebens. Hier ist in der Vergangenheit viel Gutes erdacht und formuliert worden. Gleichzeitig aber brauchen wir auch konkrete Handlungen und Aktionen, im Ganzen als Gremium, und ebenso als einzelne Vorbilder in unseren Gemeinden, damit die Menschen unserer Zeit wieder besser hoffen können. Ich denke an unsere letzte Herbstvollversammlung in Augsburg, bei der es am zweiten Tag um den Aufruf „Do something“ ging und einige Ideen hinsichtlich einer ansprechenden und zeitgemäßen Pastoral vorgestellt wurden. Auch für die Zukunft bitte ich Sie, Projekte, Workshops und praktische Vorschläge zu entwickeln, jedoch nicht nach dem Prinzip „immer mehr“, sondern lieber weniger und dafür leicht umsetzbar. Knüpfen Sie an den konkreten Alltag der Adressatinnen und Adressaten in unseren Pfarreien an.
Liebe Rätinnen und Räte,
„wir müssen ‚reich an Hoffnung‘ sein (vgl. Röm 15,13), damit wir ein glaubwürdiges und attraktives Zeugnis für den Glauben und die Liebe ablegen, die wir in unseren Herzen tragen“ (Nr. 18), ruft uns Papst Franziskus für das Jahr 2025 zu. Jeder und jedem von uns sind dazu verschiedene Fähigkeiten von Gott gegeben, die wir einbringen können. Doch gibt es auch Dinge, die wir alle, ohne großen Aufwand, zu tun vermögen, und um die ich Sie am Ende mit den Worten des Heiligen Vaters bitte:
„Ein Lächeln, eine Geste der Freundschaft, einen geschwisterlichen Blick, ein aufrichtiges Zuhören, einen kostenlosen Dienst (…) in dem Wissen, dass dies im Geist Jesu für diejenigen, die es empfangen, zu einem fruchtbaren Samen der Hoffnung werden kann.“ (Nr. 18) Wenn es uns gelingt, dies immer mehr in unserem Alltag zu leben und umzusetzen, dann wird das Schriftwort vom heutigen Tag wahr und jeder, der uns sieht, wird erkennen: „Das sind die Nachkommen, die der Herr gesegnet hat.“ (Jes 61,9)