Widerstandskämpfer Hans Scholl

Prägende Zeit in Schrobenhausen

 — © Foto: Floerecke
Foto: Floerecke

SCHROBENHAUSEN – Hans Scholl war der charismatische und politische Kopf der Münchner Widerstandsgruppe Weiße Rose, ein waghalsiger junger Mensch voller überschäumender Energie und unbändiger Vitalität. Erst über Umwege fand er in den Widerstand. Als fanatischer Führer in der Hitlerjugend (HJ) jubelte er einst Adolf Hitler zu. Doch eine Sinnkrise bewirkte die Hinwendung zum Christentum.

Jakob Knab aus Kaufbeuren, der Autor von „Ich schweige nicht: Hans Scholl und die Weiße Rose“, sieht darin eine packende Geschichte der Umkehr. „Es lebe die Freiheit!“ waren Scholls letzte Worte, als er im Alter von nur 24 Jahren hingerichtet wurde.

In dieser Sinnkrise, die mit seiner ersten Verhaftung 1937 begann, fand Hans Scholl Haltung und Orientierung in einer existenziellen christlichen Gläubigkeit, die fortan sein Denken und politisches Handeln bestimmen sollte. So entwickelte er nach und nach klarsichtige Vorstellungen über das wahrhaft Gute und das radikal Böse.

An Weihnachten 1941 legte er gegenüber seinem väterlichen Freund Carl Muth, dem Herausgeber der im Juni 1941 verbotenen Monatsschrift „Hochland“, das Bekenntnis ab: „Ich hörte den Namen des Herrn und vernahm ihn. In diese Zeit fällt meine erste Begegnung mit Ihnen. Dann ist es von Tag zu Tag heller geworden. Dann ist es wie Schuppen von meinen Augen gefallen. Ich bete. Ich spüre einen sicheren Hintergrund und ich sehe ein sicheres Ziel. Mir ist in diesem Jahr Christus neu geboren.“

Im Anschluss an das Winter­trimester 1941/42 legte Scholl sein medizinisches Praktikum (Famulatur) in der Erzabtei der Benediktiner in St. Ottilien ab. Auch dieses Kloster war im April 1941 beim sogenannten Klostersturm von der Gestapo beschlagnahmt und aufgehoben worden – ein Schritt auf dem Weg zum Angriffs- und Vernichtungskrieg gegen die Sowjet­union. Viele klösterliche Niederlassungen wurden in Reservelazarette umgewidmet.

Nach St. Ottilien folgte für Scholl im März und April 1942, ein knappes Jahr vor seiner Hinrichtung, ein weiteres Praktikum: in Schrobenhausen. Für den in protestantischem Milieu aufgewachsenen Hans Scholl sollte dies ebenfalls ein nachhallender Ort werden. Schon im September 1939 war das in der Innenstadt gelegene „Institut der Englischen Fräulein“ (­Mädchenlyzeum) ins Hauptlazarett mit chirurgischer Behelfs-Station für Teilamputa­tionen und viele Krankensäle zur Pflege verwundeter deutscher Soldaten umgebaut worden. Weitere ­Teillazarette kamen in der oberbayerischen Kleinstadt später hinzu.

Liebe Ordensschwestern

Im Teillazarett „Neues Krankenhaus“ (heute Kreiskrankenhaus) außerhalb der Stadtmauern war Scholl auf der Chirurgischen Sta­tion tätig. Seine freie Zeit verbrachte er im umgewidmeten Englischen Institut. „Ihr glaubt nicht“, drückte er in einem der Briefe an die Eltern seine Begeisterung aus, „wie lieb diese Ordensschwestern sind. Sie lesen einem jeden Wunsch von der Nase ab. Sie können so sein, weil sie aus einem anderen Fonds schöpfen, der nie versiegt.“

An Weihnachten 1945, wenige Monate nach dem Ende der NS-­Gewaltherrschaft, schrieb Schwester Emmanuela Weißenbach (1902 bis 1971) von den Englischen Fräulein an Vater Robert Scholl, dass sein Sohn Hans „sich durch sein außergewöhnlich großes Geschick, durch seine ruhige Art und durch sein vornehmes, liebenswürdiges Wesen in kürzester Zeit das Vertrauen und die Liebe sämtlicher Patienten und der mit ihm zusammenarbeitenden Schwestern erwarb“. Nicht nur als tüchtiger Arzt sei er allgemein hoch geschätzt und verehrt worden, sondern auch „als begeisterter Christ“.

Bei seinem Abschied im April 1942 habe sie zu ihm gesagt: „Ich will sehen, Herr Scholl, was aus Ihnen einmal wird! Lassen Sie, bitte, wenigstens nach Jahren wieder von sich wissen!“ Außerdem teilte sie Robert Scholl mit, dass „alle Schwestern unseres Institutes und auch die Schwestern des Kreiskrankenhauses Ihren Sohn als Helden und Heiligen verehren und ihm zeitlebens ein dankbares Andenken bewahren“.

Von 1861 bis 1993 gab es auf dem Areal in Schrobenhausen mehrere klösterliche Einrichtungen, die nach und nach aufgelöst wurden: die mittlere und höhere Mädchenschule, die Hauswirtschaftsschule, das Mädchenpensionat, den Kindergarten, genauso Wohnbereiche für die Ordensschwestern und Verwaltungsräume. Seit 1. Januar 1994 ist die Maria-Ward-Realschule Teil des Schulwerks der Diözese Augsburg.

Dort, in den Innenräumen, wurden jetzt drei als Einheit zu betrachtende Tafeln mit Lebenslauf, Foto und Auszug aus dem Brief von Schwester Emmanuela Weißenbach enthüllt. Sie erinnern an Hans Scholl und seine für ihn prägende Zeit in Schrobenhausen.

Thomas Floerecke

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