Padua – Die Stadt des heiligen Antonius

„Comics des Mittelalters“

Die Antonius-Basilika mit ihren acht Kuppeln und den minarettartigen Türmchen ist ein eigentümlicher Bau. Rechts die Grabkapelle Oratorio di San Giorgio. (Foto: Traub)
Die Antonius-Basilika mit ihren acht Kuppeln und den minarettartigen Türmchen ist ein eigentümlicher Bau. Rechts die Grabkapelle Oratorio di San Giorgio. (Foto: Traub)

In dieser an religiösen Stätten nicht armen Stadt führten alle Wege zum Santo, heißt es. „Santo“ – so wird der Stadtheilige durchaus liebevoll genannt. Es handelt sich um den heiligen Antonius, den man in den verschiedensten Darstellungen finden kann – von der Kerze bis zur Pizza. Und natürlich wird auch die ihm geweihte Kirche Santo-­Basilika genannt. Am 13. Juni ist sein Gedenktag. Die Stadt, von der die Rede ist, ist natürlich Padua. 

In der Großstadt im Veneto ist Antonius 1231 gestorben. Nur ein Jahr später wurde er heiliggesprochen – und man begann sogleich mit dem Bau einer gewaltigen Kirche über dem Grab des Predigers und Wunderheilers. Wer auf das Gotteshaus zusteuert, der wird über den außergewöhnlichen Bau nicht schlecht staunen. Die Basilika vereint eher schlichte, gotische Ziegel-Fassaden mit einer byzantinischen Dach-Landschaft, in der acht Kuppeln mit zum Teil minarett­artigen Türmchen emporstreben.

Fresken brachten Eintrag als Unesco-Welterbe 

Im Inneren zieht es die Besucher zur marmornen Prunkkapelle mit dem Grab des Heiligen, das mit Szenen aus seinem Leben geschmückt ist. Danach geht es weiter zur barocken Reliquienkapelle, die einen empfängt wie eine Theaterkulisse. Achtlos passieren viele die mit Fresken ausgemalten Kapellen. Dabei gehören sie zum einzigartigen Schatz Paduas, der der Stadt 2021 einen Platz auf der Liste des ­Unesco-Welterbes eingebracht hat. 

Es sind Fresken aus dem 14. Jahrhundert – und die gibt es in der Stadt in einer Vielzahl wie sonst nirgends. Da liegt es nahe, dass sich Padua als „Urbs picta“ vermarktet, als bemalte Stadt. Doch um moderne Street Art, wie man vielleicht vorschnell meinen könnte, geht es nicht. Es handelt sich bei den Freskenzyklen vielmehr um die „Comics des Mittelalters“, wie es ein Kunsthistoriker einmal formulierte. 

Fresken in der Antonius-Basilika

In der Antonius-Basilika sind die Kapellen, die dem Franziskaner Lukas von Padua und dem heiligen Jakob gewidmet sind, komplett freskiert. Den Künstlern Giusto de’ Menabuoi und Altichiero da Zevio begegnet man in Padua noch andernorts, Letzterem direkt neben dem Portal der Antonius-Kirche im Oratorio di San Giorgio. In dieser Grabkapelle, die einst ein Markgraf stiftete, der auch die künstlerische Gestaltung veranlasste, kann man gleich über mehrere Zyklen staunen. 

Altichiero hat nicht nur die Georgs­legende bearbeitet, sondern auch die Martyrien der heiligen Katharina und Lucia in Szene gesetzt. Dazu kommen Darstellungen der Kindheit Jesu, die mit der Kreuzigung gegenüber kontrastieren. In den Fresken entfaltet sich ein Panorama, das mit seiner Detail- und Dekorfülle, den Darstellungen von venetianischer Architektur und Landschaft und den oft großen Menschenansammlungen in zeittypischer Kleidung über das eigentliche Bildthema hinausgeht. Anders ausgedrückt: Es gibt richtig viel zu sehen. 

Giusto, den anderen der beiden Freskenmaler aus der Antonius-Basilika, trifft man im Baptisterium wieder. Es steht Seite an Seite mit dem Dom an einem der äußerst belebten Stadtplätze. Hier spürt man, dass Padua Universitätsstadt ist. Die Geschichte der Universität reicht bis ins Jahr 1222 zurück. Knapp ein Drittel der Menschen, die heute in Padua leben, studieren.

Himmlischer Hofstaat

Im Baptisterium, das bis in die Kuppel mit Fresken verziert ist, schaut der segnende Christus, umgeben vom himmlischen Hofstaat, auf das Treiben unter ihm. Und da ist einiges los. Episoden aus dem Paradies und der Genesis werden ebenso erzählt wie Stationen aus dem Leben der Gottesmutter Maria und natürlich dem von Johannes dem Täufer. Sage und schreibe 33 biblische Historien hat Giusto dargestellt, in denen noch byzantinische Gestaltungstraditionen anklingen. 

Wer da den Überblick behalten möchte, braucht nicht nur ein Fernglas. Auftraggeberin der Ausmalung war übrigens eine kunst­sinnige Dame, die Frau des damaligen Herrschers über Padua, Francesco da Carrara. Sie hat im Baptiste­rium auch ihre letzte Ruhestätte gefunden. Diese Fina Buzzaccarini, die sich die Farbenpracht sicherlich einiges hat kosten lassen, verewigte der Künstler auf einem Votivbild – zu Füßen einer Muttergottes.

Die Kreuzigungsdarstellung des Künstlers Altichiero in der Antonius-Basilika ist wie ein Wimmelbild anzuschauen. (Foto: Traub)
Die Kreuzigungsdarstellung des Künstlers Altichiero in der Antonius-Basilika ist wie ein Wimmelbild anzuschauen. (Foto: Traub)

Im Palazzo della Ragione

Die „Urbs Picta“ offeriert ihre Fresken nicht nur in kirchlichen Stätten. Auch die Wände des Ratssaals des Palazzo della Ragione aus dem 13. Jahrhundert sind bemalt – und das will angesichts der Größe etwas heißen. Der von den Einheimischen „Salone“ genannte Raum ist 82 Meter lang und 27 breit und kommt ohne Säulen und Stützen aus. Unter dem gewaltigen Holzdach, das an einen umgedrehten Schiffsrumpf erinnert, entfaltet sich ein astrologischer Zyklus mit 333 Bildern. 

Zwölf Segmente kombinieren allegorische Darstellungen der Monate mit Sternzeichen, Planeten und in die Zeit passenden Tätigkeiten, jeweils eingeleitet von einem Apostel. Zudem werden den in einem Tierkreiszeichen Geborenen bestimmte Charaktereigenschaften zugeschrieben. So wird etwa der Mai, der Monat der Turniere, durch einen kampfbereiten Ritter charakterisiert. Zwei halbnackte Jünglinge versinnbildlichen das Sternzeichen Zwillinge, während Merkur das lebhafte Wesen andeuten soll. 

Um den freistehenden und loggien­geschmückten Palast, der einst das größte Gebäude Europas war, findet seit Jahrhunderten der Markt statt. Paduas Traditionscafé „Pedrocchi“ liegt um die Ecke. Es gibt eigentlich keinen Grund, sich von hier fortzubewegen, wäre da nicht die Cappella degli Scrovegni, die kunsthistorische Sensation, die am Rande des historischen Zen­trums liegt und sozusagen Auftakt der „Urbs Picta“ war. Hier lieferte der Maler Giotto di Bondone sein Meisterwerk ab. 

Der Weg zum Heil

Dass Padua zu einer Hauptstadt der Malerei des Trecento, des 14. Jahrhunderts, werden konnte, verdankt es Enrico Scrovegni. Wohl um für die Betrügereien seines Vaters Abbitte zu leisten, stiftete der ­Bankier eine Kapelle am Rande der römischen Arena. Sie ist im Rahmen von Führungen zu besichtigen, bei denen es schon nach einer Viertelstunde heißt: „Grazie e arrivederci“ – die nächste Gruppe wartet. Man kann deshalb nur erahnen, dass es sich bei der komplett freskierten Kapelle um eine zusammenhängende Bilderzählung handelt, die den Weg des Menschen zum Heil schildert. 

Mit den Arbeiten in der schmalen Kapelle mit nur wenigen, kleinen Fenstern war Giotto von 1303 bis 1305 beschäftigt. Hier überwand der wegweisende Künstler die statische Darstellungsform seiner Vorgänger durch Wirklichkeitsnähe und Natürlichkeit. Die Figuren, die zu interagieren scheinen, erlangen plastische Qualität, was ihre Individualisierung fördert. Auch durch Blicke wird das Geschehen kommentiert. „Nie zuvor hat in der Malerei das Sprechen mit den Augen einen solchen Stellenwert“, kommentierte ein Kunsthistoriker. 

Anrührende Szenen aus der Bibel

Das Bildprogramm startet mit Szenen aus dem Leben von Joachim und Anna, den Eltern Marias. Besonders anrührend wirkt die Kuss­szene, als sich die beiden Alten nach Joachims Verbannung wiedersehen.  Ebenso einprägsam ist die Schilderung der Gefangennahme Jesu, eine Figurenzusammenballung, in deren Mitte Judas im gelben Gewand Christus umarmt. Oder die Darstellung des toten Lazarus, in der zwei Frauen wohl wegen des Leichengestanks ihr Gesicht verhüllt haben –purer Realismus. 

Tugend und Untugend

Die Verkündigung an Maria, Beginn der Erlösungsgeschichte, ist zentral an der Chorbogenwand zu sehen. Gegenüber schließt das Jüngste Gericht mit Horrorwesen, die an Hieronymus Bosch erinnern, das belehrende Bildprogramm ab. Im unteren Teil der Seitenwände schuf Giotto noch einen moralisierenden Zyklus: Im Grisaille-Ton, der wie Marmor wirkt, malte er ausdrucksstarke Personifikationen der sieben Tugenden und Untugenden. Die Konfrontation von Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit soll sagen: Das Leben ist ein Kampf zwischen Gut und Böse. 

Es gibt noch weitere Stätten, an denen man in Padua Fresken aus dem Trecento bestaunen kann – aber Giottos Werke bleiben unübertroffen. Und dann ist da ja noch das alles überstrahlende Blau des Sternenhimmels im Tonnengewölbe der Scrovegni-Kapelle. So ein Blau wird man nicht mehr finden, auch nicht am Sommerhimmel über der Stadt. 

Ulrich Traub

Information

Ein Kombi-Ticket für alle acht Fresken-Orte ist in der Tourist-Information erhältlich. Am Gedenktag des heiligen Antonius feiert Padua ein Stadtfest.

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