Nach Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen
Juden, KZ-Überlebende und Kirchen erschüttert über AfD-Erfolge

Erschütterung und große Sorge prägen die ersten Reaktionen aus der jüdischen Welt und aus den Kirchen auf die AfD-Erfolge bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen.
„Unsere freie Gesellschaft darf nicht fallen, gerade im Angesicht des islamistischen Terrors“, forderte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster: „Ungeschminkte Wahrheiten – Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit – sind gefragt, keine populistischen Scheinantworten radikaler Parteien“, schrieb er in einem Gastkommentar für Bild.de.
Immer mehr Menschen wählten die AfD aus politischer Überzeugung, aus „durch Protest manifestierter rechtsextremer Ideologie“, fügte er hinzu. Und ein populistisches BSW lasse noch vieles unbekannt, „aber das, was wir von dieser neuen Partei und ihrem Spitzenpersonal wissen, lässt nichts Gutes erahnen“.
Eine Abkehr von der bisherigen politischen Kultur der Bundesrepublik sieht die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch. Deutschland drohe ein anderes Land zu werden.
Niemand solle jetzt noch von Protestwählern sprechen „oder andere Ausflüchte suchen“, mahnte die frühere Präsidentin des Zentralrats: „Die zahlreichen Wähler haben ihre Entscheidung bewusst getroffen, viele wollten die Extremisten an den Rändern in Verantwortung bringen.“ Nicht nur Minderheiten müssten sich jetzt fragen, was diese Entwicklung für jede und jeden Einzelnen bedeute.
Als „zutiefst deprimierend“ bewerteten Holocaust-Überlebende die voraussichtlichen Ergebnisse. Die Entwicklung erschwere das Vertrauen, „das sie Deutschland mittlerweile wieder entgegenbringen“, sagte der Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner. Bislang sei es unvorstellbar gewesen, dass gerade hierzulande „so viele Menschen einer Partei vertrauen, die mehr als braun gesprenkelt ist und sogar von anderen rechtsextremen Parteien in Europa als zu vergangenheitsbelastet ausgegrenzt wird“. Heubner rief die Mehrheit auf, die Demokratie zu verteidigen.
Der für Thüringen zuständige evangelische Landesbischof Friedrich Kramer erklärte: „Wir haben uns in den letzten Monaten mit vielen Partnern zusammen für ein weltoffenes Thüringen engagiert. Das werden wir fortsetzen. Wir werden weiterhin viel miteinander im Gespräch sein müssen. Dafür werden Kirche und Diakonie Verständigungsorte anbieten.“
Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR), Thorsten Latzel, bezeichnete die Wahlergebnisse als „erschreckend“. Die evangelische Kirche werde sich „weiter für eine offene Gesellschaft und die Stärkung der Demokratiefähigkeit engagieren“, sagte der leitende Geistliche der zweitgrößten evangelischen Landeskirche in Deutschland dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die Politik müsse Probleme angehen; zudem brauche es „mehr Dialog und klare Abgrenzung gegen Hass und Hetze“.
Die Amadeu Antonio Stiftung mahnte mit Blick auf die anstehenden Regierungsbildungen die Parteien: „Jede Spekulation über eine Zusammenarbeit mit der AfD trägt zur weiteren Normalisierung des Rechtsextremismus bei. Bis jetzt hat die Brandmauer erheblich dazu beigetragen, die Entwicklung des parteiförmigen Rechtsextremismus zu hemmen.“
Besonders besorgniserregend sei der hohe Zuspruch der AfD unter jungen Menschen. „Das zeigt, dass wir in der Schul- und Jugendsozialarbeit sowie in der Prävention noch viel mehr tun müssen, um Jugendliche vor rechtsextremen Einflüssen zu schützen.“
In Thüringen ist die AfD stärkste Kraft. Sie kommt dort auf 32,8 Prozent der Wählerstimmen, gefolgt von der CDU mit 23,6 Prozent. In Sachsen liegt die AfD mit 30,6 Prozent auf Rang zwei hinter der CDU (31,9 Prozent).
KNA