Ausstrahlung seit 1954
Jubiläum "70 Jahre Wort zum Sonntag" mit Bundespräsident Steinmeier

Das „Wort zum Sonntag“ feiert seinen 70. Geburtstag am Abend mit einem Festakt in der evangelischen Sankt-Markus-Kirche in München. Die zweitälteste Sendung des deutschen Fernsehens nach der „Tagesschau“ wird seit 1954 ausgestrahlt. Mit aktuell durchschnittlich 1,2 Millionen Zuschauern ist es nach ARD-Angaben die erfolgreichste Verkündigungssendung im deutschen Fernsehen.
An jedem Samstag nach den „Tagesthemen“ sendet Das Erste den vierminütigen aktuellen Kommentar aus christlicher Sicht, für dessen Inhalt die Kirchen verantwortlich sind. Dabei wechseln sich katholische und evangelische Sprecherinnen und Sprecher ab.
An der Festveranstaltung auf Einladung der Deutschen Bischofskonferenz, der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der ARD in München nimmt auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier teil. Er will „Das Wort zum Sonntag“ mit einem Grußwort würdigen.
Beim anschließenden Programm zum Rückblick auf 70 Sendejahre sprechen nach ARD-Angaben unter anderem der katholische Medienbischof und frühere Vorsitzende der Bischofskonferenz, der Münchner Kardinal Reinhard Marx, die Ratsvorsitzende der EKD, Bischöfin Kirsten Fehrs, die Intendantin des Bayerischen Rundfunks, Katja Wildermuth, sowie ARD-Programmdirektorin Christine Strobel.
Mit einer Panne fing alles an: Am 1. Mai 1954 sollte der katholische Geistliche Klaus Mund aus Aachen das erste „Wort zum Sonntag“ sprechen. Live. Doch ein Kabelbruch machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Und so ging der evangelische Pfarrer Walter Dittmann aus Hamburg sieben Tage später als erster Sprecher in die Geschichte ein.
In eine Erfolgsgeschichte, die damals wohl niemand voraussehen konnte. Nach der Tagesschau ist die kurze Sendung mit der langen Geschichte die zweitälteste im deutschen Fernsehen, deren Jubiläum jetzt gefeiert wird.
Nach dem ersten erfolglosen Versuch ist die Sendung „noch nie ausgefallen, mit mehr als 3.600 Folgen und bis heute 315 Sprecherinnen und Sprechern“, bilanziert Norbert Wichard von der Deutschen Bischofskonferenz. Mit der Premiere von Magdalena Kiess am Samstag werden es 316 sein, ab Januar dann 318, wenn auch Johanna Vering und Conrad Krannich ihre ersten Einsätze absolviert haben.
Und die Quote? „Steigt sogar“, betont der Geschäftsführer der Katholischen Rundfunkarbeit: „Von 7,1 auf 8,4 Prozent zwischen 2013 und 2023 – obwohl die absoluten Zuschauerzahlen von knapp 1,5 auf 1,24 Millionen zurückgegangen sind.“ Sicher auch eine Folge davon, dass lineares Fernsehen als Ganzes immer weiter zurückgedrängt wird.
„Selbst wenn die Hälfte die drei bis vier Minuten zum Bierholen oder als Pinkelpause nutzen würde, wie ja gerne gelästert wird, sind das weit über eine halbe Million“, ergänzt Wolfgang Beck, seit 2012 einer der momentan vier katholischen Sprecher: „Wo kann Kirche sonst so viele Menschen auf einmal erreichen?“
Eine „Riesenchance“, findet auch Sprecherin Lissy Eichert. Zumal es ja meist nicht die ohnehin schon frommen Kirchgänger seien, die hier mit Kirche in Berührung kämen. Das zeigten auch die zahlreichen Reaktionen, deren persönliche Beantwortung etwa die Hälfte der Zeit ausmache, die sie in das „Wort zum Sonntag“ investiere.
Dabei merke sie aktuell vor allem, dass viele sich „erschöpft und überfordert“ fühlten angesichts von Kriegen, Klimawandel und allgemeiner gesellschaftlicher Spaltungstendenzen, sagt Eichert weiter: „Und da haben wir doch was zu sagen mit unserer frohen Botschaft, verbunden mit Hoffnung, Ermutigung und Versöhnung.“
Ähnlich sieht es BR-Programmdirektor Kultur Björn Wilhelm in seiner Funktion als ARD-Koordinator Religion: Gerade in Zeiten, „in denen viele Menschen durch multiple Krisen verunsichert sind“ sei die Sendung besonders wichtig, sagt er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): „Ich finde es großartig, wie die Sprecherinnen und Sprecher aktuelle Themen aufgreifen, Probleme benennen – es dabei aber nicht belassen: Sie machen immer wieder Mut, öffnen den Horizont, leisten im besten Sinne des Wortes Lebenshilfe.“
Ganz besonders viele Reaktionen – auch aus dem Ausland – erhielt Eichert auf ihr Wort an Wladimir Putin nach dem Überfall auf die Ukraine im Februar 2022. Unvergessen bleibt ihr aber vor allem eine andere Nebenwirkung: Ein trockener Alkoholiker schrieb, er habe ihr „Wort zum Sonntag“ gesehen, als er sich gerade eine Flasche Schnaps besorgen wollte. Dann aber habe er neuen Mut gefasst, doch nicht rückfällig zu werden. Er habe Schnaps Schnaps sein lassen und sich in eine Klinik einweisen lassen: „Ich war total von den Socken und hatte auch später nochmals Kontakt zu dem Mann. Denn das fand ich einfach stark.“
Doch es gibt auch andere Rückmeldungen, fügt Pfarrer Gereon Alter hinzu, der von 2010 bis 2022 insgesamt 100-mal das „Wort zum Sonntag“ sprach: „Das ging bis zu Morddrohungen nach einem AfD-kritischen Beitrag beim Katholikentag in Münster.“ Aber davon habe er sich nicht ins Bockshorn jagen lassen, denn die positiven Reaktionen hätten bei weitem überwogen.
Alter erinnert sich auch an einige besondere Worte zum Sonntag – etwa nach dem Loveparade-Unglück in Duisburg, der Atomkatastrophe von Fukushima und mehreren Terroranschlägen, als er spontan ein aktualisiertes Wort anstelle des am Freitag aufgezeichneten aufnehmen musste: „Dafür haben wir immer Bereitschaftsdienst bis zum Samstagabend.“
Besonders waren auch seine vier Beiträge zum ESC: Im Rahmen des „Eurovision Song Contests“ läuft das „Wort zum Sonntag“ immer früher und in einem Umfeld mit deutlich mehr und anderem Publikum. Da hören dann schon mal locker vier bis fünf Millionen Menschen zu, sat Alter: „Dafür muss ich schon sehr, sehr viele Gottesdienste in unserer Kirche feiern.“
Über Ottos Kult-Parodie auf ein geistliches Wort zu „Theo, wir fahren nach Lodz“ können Alter und Wichard immer noch schmunzeln: „Tatsächlich hängen wir oft in unserem Kirchensprech in einer nicht sehr anschlussfähigen Gedankenwelt fest. Aber das ist seitdem in den meisten Fällen doch deutlich besser geworden. Wir sind ja lernfähig!“
In einem sind sich alle einig: Das „Wort zum Sonntag“ sehen sie als Riesenchance und als eine „ganz, ganz wichtige Schnittstelle zu Bereichen der Gesellschaft, in denen die Kirchen sonst nicht oder kaum mehr vorkommen“. Und das Ganze auch noch „vorbildlich ökumenisch“ in enger und guter Zusammenarbeit mit der evangelischen Kirche.
Dass ein Mensch am Stück einfach nur drei bis vier Minuten direkt zu den Zuschauern spricht – ohne großes Drumherum, ohne schnelle Schnitte, ohne Spezialeffekte, scheint ziemlich aus der Zeit gefallen. Aber vielleicht gehört auch gerade das zum Erfolgsrezept, vermutet ARD-Koordinator Wilhelm: „Es geht um den Inhalt, inhaltliche Tiefe und wie es der Titel sagt, um das Wort zum Sonntag, über das die Menschen ins Nachdenken kommen können.“
Und was schätzt er besonders am ARD-Dauerbrenner? „Die Überraschung. Texte, mit denen ich nicht gerechnet habe und die mich wirklich zum Nachdenken bringen. Kein ‚Kessel Buntes‘, sondern ein Gedanke, der vertieft wird und ganz wichtig: so erzählt wird, dass es alle verstehen.“
Gottfried Bohl/KNA