Vor 80 Jahren hingerichtet
Georg Elser: Der Einzelkämpfer versuchte, Hitler zu töten – Historiker Wolfgang Benz analysiert die Tat

Anders als die Verschwörer des 20. Juli 1944 um Claus Schenk Graf von Stauffenberg handelte er allein: Georg Elser versuchte kurz nach Beginn des Zweiten Weltkriegs, Adolf Hitler im Münchner Bürgerbräukeller durch eine Bombe zu töten. Der renommierte Zeithistoriker Wolfgang Benz spricht über Elsers Beweggründe, die Herausforderungen seines Alleingangs und die Bedeutung dieses individuellen Widerstands in der Nazi-Zeit.
Herr Professor Benz, was trieb Georg Elser an, ein Attentat auf Adolf Hitler zu planen?
Georg Elser war einer der wenigen Menschen in NS-Deutschland, die ihre Unzufriedenheit nicht in der Stille ausmachten, sondern er beschloss, etwas gegen das Regime zu unternehmen. Er war unzufrieden mit der sozialen Situation, und er sah, dass Hitler unbedingt Krieg wollte. Elsers Hauptmotiv war, den Krieg zu verhindern.
Wie ist sein individueller Widerstand im Vergleich zu organisierten Gruppen zu bewerten?
Die organisierten Gruppen des Widerstands waren ja vor allem mit der Diskussion beschäftigt, was und wie und wann sie etwas unternehmen würden. Sie diskutierten über das Danach, über die Gestalt Deutschlands nach Hitler, und das hinderte an Aktionen. Georg Elser hatte mit dem Tyrannenmord nur ein Ziel, und das wollte er im Alleingang ohne Mitwisser und ohne Helfer erreichen. Er wollte niemanden gefährden und nahm das Risiko alleine auf sich.

Welche Risiken und Herausforderungen brachte sein Alleingang mit sich?
Das Risiko, entdeckt zu werden, war das größte – das bedeutete das Todesurteil oder die Ermordung ohne Urteil. Das Risiko bestand auch für alle Mitwisser. Das haben die Nazis dann bewiesen, indem sie die Familie in Sippenhaft nahmen und die ganze Umgebung Elsers unter Verdacht stellten.
Hätte ein erfolgreicher Anschlag den Kriegsverlauf verändert oder den Krieg gar beendet?
Elser wollte den Krieg von Anfang an verhindern. Als er das Attentat ausführte, hatte der Krieg schon begonnen. Jetzt wollte er wenigstens eine Ausweitung verhindern. Ein Historiker darf nicht spekulieren, ob das erfolgreiche Attentat das bewirkt hätte. Es darf aber angenommen werden, dass der Überfall auf die Sowjetunion und der Holocaust wahrscheinlich nicht in dieser Form stattgefunden hätten.
Warum blieb Elser lange im Schatten anderer Widerstandskämpfer?
Die nationalsozialistische Propaganda unternahm alles, um die Alleintäterschaft Elsers zu leugnen. Das durfte es nicht geben: den Mann aus dem Volke, der mit Hitler unzufrieden war und der ihn mit einem Tyrannenmord beseitigen wollte.
Für die NS-Propaganda durfte es nur einen Täter geben, der aus dem Ausland und zwar aus Großbritannien kam. Es durfte kein Deutscher sein, und deshalb wurde der britische Geheimdienst beschuldigt. Das stand in allen deutschen Zeitungen zu lesen. Das wurde den Deutschen eingehämmert und daran glaubten sie. Dieser Glaube hielt nach 1945 an. Elser war demnach nur das Werkzeug fremder Mächte.
Eine zweite Legende entstand: Danach war Elser Teil einer Inszenierung – ein SS-Mann, der zum Schein das Attentat auf Hitler ausübte. Dadurch sollte bewiesen werden, dass Hitler unter dem Schutz der „Vorsehung“ stand und unverwundbar war.
Wie hat sich das öffentliche Bild von Elser über die Jahre verändert?
Das Elser-Bild blieb jahrzehntelang unverändert. Die Leute glaubten entweder an die Naziversion oder an das Märchen der Inszenierung. Dafür gab es mit Pastor Martin Niemöller einen wichtigen Kronzeugen. Er war Widerstandskämpfer, saß im gleichen KZ wie Elser und schien deshalb glaubwürdig. Erst um 1980 herum nahm ein Spielfilm die seriöse historische Forschung zur Kenntnis und stellte Georg Elser als Einzeltäter vor. Danach hat sich sein Bild allmählich der historischen Wirklichkeit angenähert.


Warum blieb Elser lange im Schatten anderer Widerstandskämpfer?
Die nationalsozialistische Propaganda unternahm alles, um die Alleintäterschaft Elsers zu leugnen. Das durfte es nicht geben: den Mann aus dem Volke, der mit Hitler unzufrieden war und der ihn mit einem Tyrannenmord beseitigen wollte.
Für die NS-Propaganda durfte es nur einen Täter geben, der aus dem Ausland und zwar aus Großbritannien kam. Es durfte kein Deutscher sein, und deshalb wurde der britische Geheimdienst beschuldigt. Das stand in allen deutschen Zeitungen zu lesen. Das wurde den Deutschen eingehämmert und daran glaubten sie. Dieser Glaube hielt nach 1945 an. Elser war demnach nur das Werkzeug fremder Mächte.
Eine zweite Legende entstand: Danach war Elser Teil einer Inszenierung – ein SS-Mann, der zum Schein das Attentat auf Hitler ausübte. Dadurch sollte bewiesen werden, dass Hitler unter dem Schutz der „Vorsehung“ stand und unverwundbar war.
Wie hat sich das öffentliche Bild von Elser über die Jahre verändert?
Das Elser-Bild blieb jahrzehntelang unverändert. Die Leute glaubten entweder an die Naziversion oder an das Märchen der Inszenierung. Dafür gab es mit Pastor Martin Niemöller einen wichtigen Kronzeugen. Er war Widerstandskämpfer, saß im gleichen KZ wie Elser und schien deshalb glaubwürdig. Erst um 1980 herum nahm ein Spielfilm die seriöse historische Forschung zur Kenntnis und stellte Georg Elser als Einzeltäter vor. Danach hat sich sein Bild allmählich der historischen Wirklichkeit angenähert.
Welche Faktoren beeinflussten den Widerstand durch Einzelpersonen wie Elser?
Die persönliche Einsicht in das Unrechtsregime des Nationalsozialismus und die daraus erwachsende Absicht, die Situation zu ändern.
Welche Folgen hatte der Anschlag auf Hitler für die Sicherheitsvorkehrungen der Nazis?
Bis zum Anschlag Elsers gab es kaum Sicherheitsvorkehrungen. Von nun an verschwand Hitler als Person immer mehr aus der Öffentlichkeit. Es wurde immer schwerer, Zugang zu ihm zu finden, so auch für Funktionäre und Offiziere, die nicht zum engsten Umkreis gehörten.
Was lehrt Elsers Widerstand über Zivilcourage heute?
Das Beispiel Elsers ist nicht ohne Weiteres in eine aktuelle Situation zu überführen. Er handelte unter einem diktatorischen Regime. Wir leben heute in demokratischen Verhältnissen, und wenn Rechtsradikale zum Widerstand gegen den Staat aufrufen und sich auf Georg Elser und andere alte Vorbilder aus den NS-Zeiten berufen, dann ist das nur freche Usurpation.
Warum ist es wichtig, Einzeltäter wie Elser zu würdigen?
Es ist eine Frage der historischen Gerechtigkeit, und es ist ein Zeichen dafür, dass nicht alle Menschen in Hitlers Machtbereich ihm blindlings gefolgt sind. Damit hat Elser auch symbolische Bedeutung für den Widerstand gegen Unrecht, Krieg und Menschenfeindlichkeit.
Was zeigt Elsers Motivation über politischen Widerstand in Diktaturen allgemein?
Das Beispiel Elser ist auf beliebige Diktaturen nicht unmittelbar übertragbar. Deshalb ist seine Tat nicht Vorbild für bestimmte Gelegenheiten, sondern vor allem Symbol gegen das Gewaltregime des Nationalsozialismus.
Welche moralischen und psychologischen Aspekte erklären seine Tat?
Georg Elser hat das getan, was Millionen hätten tun können, nämlich Einsicht gewinnen in die Natur des Unrechtstaates. Er zog die Konsequenz aus seiner Einsicht. Das unterscheidet ihn von allen, die wegschauten und später behaupteten, man habe nichts machen können, oder die sich dem Regime anpassten und Nutznießer wurden. Deshalb war Elser auch nach seinem Tode so lange verfemt.
Interview: Andreas Raffeiner
Information
Von Wolfgang Benz ist bei C.H. Beck ein Buch über Georg Elser erschienen: „Allein gegen Hitler – Leben und Tat des Johann Georg Elser“ (ISBN: 978-3-406-80061-0) kostet 27 Euro.