Vor 110 Jahren geboren

Geistlicher Alojs Andritzki: Erster seliger Sachse und Sorbe

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Kirschke
Claudia Steglich, Initiatorin des Alojs-Andritzki-Gedächtnispfads, probiert die multimedialen Inhalte zusammen mit den mitwirkenden Schülerinnen Cosima (blaue Jacke) und Jette aus. Im Hintergrund: die Pfarrkirche von Radibor.

1,3 Kilometer ist er lang und besteht aus fünf Hör-Stationen: der Erinnerungspfad in Radibor bei Bautzen in der Lausitz, der die Menschen auf die Spuren des seligen katholischen Priesters Alojs Andritzki führt. Der gebürtige Radiborer Andritzki war 2011 der erste vom Vatikan seliggesprochene Sorbe – und zugleich der erste Selige aus Sachsen.

Den Pfad initiierte die Sorbin Claudia Steglich. Eröffnet wurde er vor genau einem Jahr. Die Idee sei ihr spontan gekommen, erinnert sich Steglich. „Das war beim Spaziergang mit der Familie durchs Dorf. Ich sagte mir: Wir sollten den Blick auf Alojs Andritzki weiten. Bislang gibt es erst einen Flyer.“ Seit 2017 arbeitet die Radiborerin für die Regionalförderung „Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft“.

Mehrsprachiger Pfad

Zusammen mit Andrea Hennig, der damaligen Leiterin des seit 1984 nach Andritzki benannten katholischen Kinderhauses, entwarf Steglich den Pfad. Hennig übernahm die Koordination. „Ausdrücklicher Wunsch des Gemeinderats war ein mehrsprachiger Gedächtnispfad. Die Tonspuren sind in Sorbisch und Deutsch abrufbar. Ebenso sind die Tafeln an den fünf Stationen in Sorbisch und Deutsch zu lesen.“ Ein QR-Code führt zu Übersetzungen ins Polnische, Tschechische und Englische.

„Unser Ansporn war, möglichst auch Kinder einzubeziehen“, betont Claudia Steglich. So geschah es. Jette und Cosima aus Radibor, die damals in die vierte Klasse der örtlichen Grundschule gingen, sind zwei der Kinder, die an dem Projekt mitwirkten. „Wir durften das Tonstudio in Bautzen kennenlernen“, erzählen die beiden begeistert.

Jette sprach Texte in Deutsch ein. Sie bewundert Andritzkis Sportlichkeit und Bescheidenheit. Cosima übernahm die sorbischen Texte. Sie bestaunt die musikalische Ader des Seligen und seine Unverzagtheit im Glauben. Hortkinder sangen für den Pfad sogar ein Lied ein: die Hymne des ­Kinderhauses. Andrea Hennig sieht das Lied, das über QR-Code abrufbar ist, als Zeugnis tiefer Verbundenheit mit dem Seligen.

Der Gedächtnispfad beginnt an der Alten Pfarrkirche in Radibor und endet am Kinderhaus. Der Startpunkt führt ein in Persönlichkeit, Leben und Wirken des Priesters. Die fünf Hör-Statio­nen widmen sich den Themen Kindheit und Familie; Andritzki als sorbischer Priester; als katholischer Sorbe; Gefangenschaft und Tod. Die letzte Station zeigt, wie lebendig das Glaubensleben des Priesters bis heute nachwirkt.

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Ein Fensterbild in der Pfarrkirche Radibor zeigt Alojs Andritzki in Priesterkleidung mit seiner Häftlingsnummer.

Alojs Andritzki wurde am 2. Juli 1914 geboren, vor 110 Jahren. Nach dem Abitur studierte er in Paderborn. Am 30. Juli 1939 wurde er im Bautzener Dom zum Priester geweiht. Die erste Heilige Messe in seiner Heimatkirche in Radibor feierte er am 6. August 1939. Seit 2009 ziert ein Fensterbild mit Alojs Andritzki den Westgiebel des Gotteshauses. Auch eine kleine Ausstellung ist ihm gewidmet.

Andritzki hat zum selbständigen Denken ermutigt

Andritzki setzte sich als Vorsitzender des sorbischen Studentenvereins „Włada“ und als Redakteur der Zeitschrift „Serbski student“ stark für die Bewahrung der sorbischen Sprache und Identität ein. Seine Jugendgruppe „Hólčina“ (Die Jungen) pflegte die sorbische Sprache, bildete sich religiös, sang Lieder und trieb Sport. „Alojs hat die Jugend begeistert“, erzählte vor Jahren seine Schwester Martha Hantusch, und habe sie zum selbstständigen Denken ermutigt.

1934 schrieb er in sein Tagebuch: „Tage göttlicher Gnade! Christus mein Alles!“ Und weiter: „Ich nehme mir fest vor, den Weg der Nachfolge Christi zu gehen, nichts Irdisches (Geld und Freuden usw.) kann mich begeistern. Ganz bin ich für Gott!“ Sein Lebensmotiv hieß fortan: „Dir, Jesus, will ich stets nachfolgen.“ Aus dieser christlichen Hingabe erwuchs eine klare Ablehnung des Nationalsozialismus, der 1933 die Macht in Deutschland an sich gerissen hatte.

Wegen angeblicher „heimtückischer Angriffe auf Staat und Partei“ nahmen die Nazis den Kaplan am 21. Januar 1941 in Dresden fest. Nach gut einem halben Jahr aus der Untersuchungshaft entlassen, wurde er umgehend wieder verhaftet. Im Oktober 1941 kam er ins KZ Dachau. Nach Weihnachten 1942 erkrankte er dort an Bauchtyphus. Doch erst am 19. Januar 1943 meldete er sich im Krankenrevier. Da war es bereits zu spät.

Tod durch Giftspritze

Im Sterben liegend erbat er einen Priester. Pfleger Wastl, ein Kommunist, erwiderte: „Was, a Pfaffen will er. A Spritzen kriegt er.“ So starb Alois Andritzki am 3. Februar 1943 durch eine Giftinjektion. Eingespielt in Station 4 des Gedächtnispfades ist der Original-Ton eines Mithäftlings zu hören. „Wichtig war uns, gerade ihn als Zeitzeugen zu Wort kommen zu lassen“, sagt Claudia Steglich.

Andrea Hennig sieht Alojs Andritzki als Vorbild. „Mit seinem tiefen Glauben an Gott hat er die Hölle des KZ ertragen.“ In ihm, ist sie überzeugt, „haben wir einen seligen Freund im Himmel – so wie es die Kinder im Lied des Kinderhauses singen“.

Andreas Kirschke

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