Kommentar
"Gehsteigbelästigung": Beten für das Leben verboten?

Der Bundesrat hat vor kurzem den Weg zum Verbot von sogenannter Gehsteigbelästigung frei gemacht. Die Ampelparteien verstehen ihn als Sammelbegriff für Protestaktionen von Abtreibungsgegnern vor Beratungsstellen, Krankenhäusern oder Arztpraxen, die Schwangerschaftskonfliktberatungen anbieten oder Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Das Gesetz sei übergriffig und ungerechtfertigt, schreibt Pavel Jerabek, Vorsitzender des Familienbunds der Katholiken im Bistum Augsburg, in seinem Kommentar.
Nach dem Deutschen Bundestag hat nun auch die Länderkammer das Gesetz der Ampel zum Verbot von „Gehsteigbelästigung“ gebilligt. Vor Schwangerenberatungsstellen und Arztpraxen, die Abtreibungen durchführen, soll es künftig „Schutzzonen“ geben. Protestierende Lebensrechtler, die den geforderten Abstand von mindestens 100 Metern zu Beratungsstelle oder Arztpraxis nicht einhalten, müssen mit einem Bußgeld von bis zu 5000 Euro rechnen. Das lässt aufhorchen – aus drei Gründen:
Das Gesetz ist grundlos. Die Bundesregierung, die das Gesetz im Bundestag damit rechtfertigte, dass schwangere Frauen „von einer Traube aus Menschen mit Pfiffen und Rufen erwartet, von radikalen Abtreibungsgegnern angeschrien, bepöbelt und mit Kunstblut beschmiert“ würden, kann solche Fälle gar nicht belegen. Auf Nachfrage musste sie einräumen, dass die Datenlage eine „valide Quantifizierung und Aufschlüsselung des Phänomens“ gar nicht ermögliche.
Das Gesetz ist überflüssig. Schon jetzt sind Beleidigung, Nötigung oder gar Gewalt verboten. Tatsächlich handelt es sich nur um etwa eine Handvoll Abtreibungspraxen, vor denen Mitglieder von Lebensrechtsgruppen leise beten und eine Mahnwache abhalten. Dass Protest, ja, auch Gebet, auch mal symbolträchtig und öffentlichkeitswirksam sein will oder muss, liegt in der Natur der Sache. Dazu kommt: Das Gesetz ist übergriffig. Bisherige gerichtliche Verfahren, in denen sich die Initiatoren von Mahnwachen gegen Verbote zur Wehr setzten, stärkten die Grundrechte der Meinungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit. „Es gibt in einer pluralistischen Gesellschaft kein Recht darauf, von der Konfrontation mit abweichenden religiösen Vorstellungen oder Meinungen gänzlich verschont zu bleiben“, urteilte das Bundesverwaltungsgericht.
Eine Regierung, die sich (trotzdem!) durch friedlich betende Bürger und offenbar auch durch unsere Verfassung auf ihrer ideologischen Geisterfahrt belästigt fühlt und die auf äußerst dürftiger Basis missliebige Meinungen zu unterdrücken sucht, zerstört weiter das Vertrauen in die Politik.