Papst in Triest
Ein Europa des Friedens und der Brüderlichkeit

Papst Franziskus hat in Triest einen Appell zum Einsatz für ein menschlicheres Europa formuliert: „Von dieser Stadt Triest aus, mit Blick auf Europa, einem Knotenpunkt der Völker und Kulturen, einem Grenzland, befeuern wir den Traum einer neuen Zivilisation, die auf Frieden und Brüderlichkeit basiert“, sagte er am Sonntag bei einem Gottesdienst am Hafen der norditalienischen Stadt an der Grenze zu Slowenien.
Christen sollten schockiert sein „über das Böse, das sich ausbreitet, das Leben, das gedemütigt wird, die Probleme der Arbeit, das Leid der Migranten“, mahnte Franziskus vor rund 8.500 Teilnehmern der Messe. „Warum bleiben wir gleichgültig gegenüber den Ungerechtigkeiten der Welt? Warum nehmen wir uns nicht die Situation der Gefangenen zu Herzen, die auch aus dieser Stadt Triest wie ein Schmerzensschrei ertönt?“, fragte Franziskus.
Die lokale Kirche ermutigte er, weiterhin „das Evangelium der Hoffnung zu verbreiten, insbesondere gegenüber denen, die über die Balkanroute kommen“, und gegenüber allen, die Ermutigung und Trost brauchten. „Indem wir wiederentdecken, dass wir vom Vater geliebt werden, können wir alle als Brüder leben“, sagte der Papst.
Angesichts der vielen sozialen und politischen Probleme müsse der Glaube den Finger in die Wunden der Gesellschaft legen, forderte Franziskus weiter. Dieser Glaube könne helfen, Mittelmäßigkeit und Trägheit, Konsumwahn und Egoismus zu überwinden. Entschieden wandte sich der Papst gegen eine Religiosität, die sich nicht um die Belange der Menschen kümmere. „Gott versteckt sich in den dunklen Ecken des Lebens und unserer Städte, seine Gegenwart offenbart sich gerade in den Gesichtern, die vom Leid ausgehöhlt sind und in denen die Erniedrigung zu triumphieren scheint“, sagte Franziskus.
Den Gottesdienst an der Hafenpromenade feierten 98 Bischöfe und 260 Priester mit. Ebenso waren serbisch-orthodoxe, griechisch-orthodoxe und protestantische Geistliche anwesend.
Anlass des Papstbesuchs war die 50. Sozialwoche der Katholiken in Italien. Am Mittwoch hatte Staatspräsident Sergio Mattarella die Veranstaltung mit rund 1.200 Teilnehmern eröffnet. Franziskus hielt am Sonntagmorgen den Schlussvortrag. Anschließend traf er in privatem Rahmen Vertreter der Wissenschaft und der 16 Konfessionen und Religionen in Triest sowie Migranten, Menschen mit Behinderungen und sozial Benachteiligte.
Franziskus ist nach Johannes Paul II. (1978-2005) der zweite Papst, der die seit 1907 veranstalteten Tagungen besucht. Im Frühjahr ließ die Stadtverwaltung die berüchtigten „Silos“ räumen, in denen Migranten unter teils menschenunwürdigen Umständen zwischen Müll und Ratten hausten.
KNA