Ansprache von Bischof Bertram Meier in der feierlichen Vesper zur Erhebung des Ulrichsschreins am 3. Juli 2024 in der Basilika St. Ulrich und Afra, Augsburg

Der Transitus des heiligen Ulrich: Das Gebet um eine gute Sterbestunde

 — © Foto: Zoepf
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Bischof Bertram Meier am 3. Juli 2024 bei der Schreinerhebung.
Liebe Brüder im bischöflichen, priesterlichen und diakonalen Dienst, liebe Schwestern und Brüder im Glauben an den barmherzigen und gerechten Gott,
wir feiern in dieser Stunde, am Vorabend des Hochfestes unseres Bistumspatrons, den Transitus des heiligen Bischofs Ulrich, seinen Heimgang zu Gott. Mir scheint es daher lohnend, sich gerade heute, in einer Zeit, in der Krankheit und Sterben oft außerhalb der Familie bzw. der vertrauten Umgebung durchlitten werden, einmal zu vergegenwärtigen, welche lebensprägende
Konsequenz der christliche Glaube beinhaltet, dem wir alle uns doch verbunden wissen.
Wann haben Sie zuletzt um eine gute Todesstunde gebetet?
Wer sich dabei ertappt, dass er die Endlichkeit des Lebens ausblendet und auch den Kontakt mit Krankheit und Tod, wo es geht, vermeidet, muss sich klar sein: Dadurch wird die Angst vor dem unvermeidlichen Lebensende nicht kleiner, sondern eher noch größer! Deshalb bin ich dankbar für alle Initiativen in unserem Bistum, die die professionelle Palliativversorgung, sei sie ambulant
oder stationär, in Hospizen oder daheim, nach Kräften fördern, und für alle, die oft über Jahre hin ehrenamtlich Sterbebegleitung machen oder „Letzte-Hilfe-Kurse“ besuchen, wie sie seit einiger Zeit immer häufiger angeboten werden. Nicht zuletzt die Corona-Pandemie hat uns gezeigt: Menschliches Leben ist verletzlich und deswegen umso kostbarer!
In jeder Heiligen Messe bekennen wir das Geheimnis unseres Glaubens:
„Deinen Tod, o Herr,
verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir,
bis du kommst in Herrlichkeit“
– denken und fühlen wir mit, was wir da sprechen?
Wenn ich Jesu Tod in der Eucharistie feiere, dann ist da auch mein Tod als Thema präsent. Wenn ich seine Auferstehung bekenne, dann ist die Hoffnung auf meine Auferstehung untrennbar damit verbunden. Es tut uns gut, uns dies immer wieder neu zu vergegenwärtigen. Denn wir Menschen leben von Ritualen und Symbolen, wir leben von der Wiederholung und der Er-innerung.
„Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ das meint nicht nur den Kern der Eucharistiefeier, die Wandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi, sondern ist eine Aufforderung, Jesu Leben – seine Art, mit den Menschen umzugehen – nachzuahmen, und dadurch ernst zu machen mit der Nachfolge.
Wir kennen von klein auf unseren Geburtstag, weil ihn unsere Eltern und die Pflegekräfte im Krankenhaus festgehalten haben, wir wissen vielleicht auch, ohne nachdenken zu müssen, unseren Tauf- oder Erstkommuniontag, können die Firmung und die Hochzeit datieren, wir haben auch die Gedenktage vieler Familienmitglieder im Kopf: Nehmen wir getrost auch den Tag hinzu, der bei
Heiligen traditionell der Geburtstag für den Himmel genannt wird und „freunden“ wir uns mit ihm an, unserem letzten Tag auf dieser Erde! Geben wir der Zuversicht mehr Raum als der Angst…
Der heutige Abend, die Feier des Heimgangs des heiligen Ulrich, könnte der Auftakt zu einem Perspektivwechsel sein. Nämlich zu der Frage:
Wie möchte ich, dass nach meinem Tod von mir gesprochen wird?
Was sollten die großen Linien meines Lebens sein, die für alle, die mich kannten, deutlich werden?
Welche Spuren will ich hinterlassen?
Ich bin überzeugt: Wer bewusst von seinem zeitlichen Ende her lebt, dem verzieht es nicht so schnell das Maß in den alltäglichen Ärgernissen, angesichts des spürbaren Klimawandels und der Folgen menschlicher Umweltzerstörung oder im Blick auf die Kriegsherde unserer Tage. Fassen wir uns ein Herz, hören wir „mit dem Ohr des Herzens“, um nüchtern und wachsam, verantwortungsvoll und zuversichtlich die uns geschenkte Lebenszeit zu gestalten. Wir tun dies aus dem Vertrauen: Unsere Heimat ist im Himmel.
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