Im Allgäu aufgewachsen

Der Kammerdiener des Nuntius Eugenio Pacelli

 — © Archivfoto: Gschwind
Archivfoto: Gschwind

Vor 100 Jahren ist das bis heute gültige Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl in Rom und Bayern unterzeichnet worden. Eine der Schlüsselfiguren dabei war der päpstliche Nuntius Eugenio Pacelli, der spätere Papst Pius XII. (1939 bis 1958). In seinen Diensten wirkte ein Franziskanerbruder aus dem Allgäu.

Das katholische Berlin war auf den Beinen, als der Apostolische Nuntius Erzbischof Eugenio Pacelli in der St. Hedwigs-Kathedrale den Festgottesdienst zum Jahrestag der Krönung von Papst Pius XI. zelebrierte. Man schrieb das Jahr 1926. Die katholischen Studentenverbindungen standen in voller Wichs Spalier. Fahnenabordnungen der katholischen Vereine und Verbände begleiteten den Nuntius auf dem Weg zur Kathedrale.

Die imposante Erscheinung des päpstlichen Gesandten, der segnend durch die Menge schritt, wurde durch seine Kleidung noch unterstrichen. Über dem violettroten Talar und dem Spitzenchorrock trug der Geistliche die Cappa magna mit Hermelinbesatz: Der Umhang in der Farbe des Talars ging in eine Schleppe über – neun Meter lang. Für diese benötigte der so prunkvoll Bekleidete einen Schleppenträger.

Bei Bischöfen hatten meist Alumnen aus dem Priesterseminar diesen Dienst zu versehen. Die Cappa ­magna­ von Nuntius Pacelli trug ein junger Mann, gekleidet in die Livrée der Nuntiatur: Franziskanerbruder Florian Settele.

Einsatz auf dem Balkan

Der 1897 in Rettenbach bei Markt­oberdorf im Allgäu geborene Settele, Taufname Kasimir, hatte eine Lehre als Koch absolviert, als der Erste Weltkrieg ausbrach und man ihn zu den Waffen rief. Er wurde auf dem Balkan eingesetzt. Sobald der Krieg zu Ende war, trat er bei den bayerischen Franziskanern ein und erhielt den Ordensnamen Florian. Einen Koch konnte man im Kloster gut gebrauchen.

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Bruder Florian (unten sitzend) mit Mitbrüdern und einem Besucher im Kloster.

Doch dann bat der seit 1917 in München tätige Nuntius Pacelli den Provinzial um zwei Ordensbrüder. Ein Chauffeur und ein Hausdiener wurden benötigt. Die Wahl fiel auf Bruder Florian. Seine Aufgabe war fortan, an der Pforte der Nuntiatur Besucher zu empfangen. Auch beim Essen servierte Bruder Florian. Sofern Gäste da waren, tat er dies in der Uniform der Nuntiatur. Da Bruder Florian schon während des Kriegs mit Autos umzugehen gelernt hatte, fiel ihm auch die Aufgabe zu, den Nuntius zu seinen Terminen zu fahren. So wurde Bruder Florian Chauffeur und Kammerdiener.

Wohlbehalten chauffiert

Der Nuntius konnte auf die absolute Verschwiegenheit des stillen und immer heiter gestimmten Franziskaners zählen. Aus der Nuntiatur gelangte nichts nach draußen. Auch durfte niemand erfahren, welche Bischöfe oder Politiker vorgesprochen hatten. Als Nuntius Pacelli 1925 von München nach Berlin übersiedelte, nahm er neben Schwester Pasqualina, die den Haushalt führte, auch Bruder Florian mit. Sein Dienstherr wusste die Zuverlässigkeit des bescheidenen Franziskaners zu schätzen, dem nie etwas zu viel war und der ihn wohlbehalten durch ganz Deutschland chauffierte.

Dann jedoch wurde Nuntius Pacelli 1929 vom Papst nach Rom berufen. Für Bruder Florian war die Stunde des Abschieds gekommen. Der Kardinal benötigte in Rom keinen eigenen Chauffeur mehr. So kehrte der Franziskaner ins Kloster zurück.

Nie die Fassung verloren

Natürlich hätte er den Mitbrüdern zahllose Anekdoten erzählen können, aber dies hätten sie vielleicht als Eitelkeit aufgefasst. So zog es Florian vor zu schweigen. Nur dann und wann äußerte er sich über die Liebenswürdigkeit und Güte des Nuntius, der auch in schwierigsten Situationen nie die Fassung verloren hatte.

Zehn Jahre später, im März 1939, wurde Eugenio Pacelli zum Papst gewählt. Sein ehemaliger Kammerdiener freute sich riesig – und reihte  sich in die Schar der Gratulanten aus aller Welt ein. Seit 1934 lebte der Franziskaner im Kloster St. Anton in Partenkirchen. Auch hier konnte man ihn zu allem brauchen. Bruder Florian kochte, putzte, bügelte. Er war Mesner und Gärtner, Maurer und Schreiner. Er freute sich an Gottes Schöpfung, machte Bergtouren, aber am liebsten verweilte er in der Kapelle vor dem Tabernakel.

Bald nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde der Ordensmann eingezogen. Nun waren wieder seine Kochkünste gefragt. Man rühmte seine Feldküche als die beste des ganzen Bataillons. So musste er den ganzen Russlandfeldzug mitmachen und erlitt schwere Verwundungen. Immer wieder erkrankte er, aber die Sorge um seine Kameraden ließ ihn stets wieder zu seiner Kompanie zurückkehren. Bis zuletzt kümmerte er sich um seine Kameraden. Mit ihnen geriet er in russische Gefangenschaft. Bruder Florian starb im November 1945 im Gefangenen­lager in Frankfurt an der Oder.

Ludwig Gschwind

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