Mitte Februar feiern die Menschen an der Mosel einen Missionar aus Aquitanien

Heiliger Kastor von Karden: Held und Gottesfreund

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Die Kirche in Karden an der Mosel.

An der Mosel zählt er zu den bekanntesten Heiligen. So populär wie Nikolaus, Martin oder Hildegard von Bingen aber ist Sankt Kastor längst nicht. Als Namensgeber für Kinder hat er denn auch weitgehend ausgedient. Kirchlich wird er nur noch im Bistum Trier verehrt, wo sein Festtag am 13. Februar auf dem Kalender steht.

In Karden, seiner Grab- und Wirkungsstätte, die heute zur Verbandsgemeinde Cochem gehört, wird Kastors Schrein zum Fest am Altar aufgestellt. Groß gefeiert wird er als Stadtpatron auch in Koblenz, wo in der Kastor-Basilika, der ältesten und bedeutendsten Kirche der Stadt, heute ein Großteil seiner Gebeine liegt. Einige Knochensplitter finden sich auch in Eibingen bei Rüdesheim, wo der Schrein der Hildegard von Bingen steht. 

Die erste Lebensbeschreibung Kastors, dessen lateinischer Name soviel wie Biber bedeutet, entstammt dem Mittelalter. Sie erzählt von einem Mann, den der Trierer Bischof Maximinus einst zum Priester geweiht habe. Der Erzählung zufolge stammte Kastor aus Aquitanien im heutigen Südfrankreich: einer römischen Provinz, die von den Pyrenäen bis zur Loire reichte und vom heutigen Bor­deaux aus verwaltet wurde.

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Die Statue des heiligen Kastor vor seiner Kirche in Karden an der Mosel trägt ein Modell der Kastor-Basilika von Koblenz in Händen.

Eines Tages, heißt es, brachten ihn seine Eltern zu Bischof Maximinus nach Trier, der ebenfalls aus Aquitanien stammte und als Bischof europaweites Ansehen genoss. Der schickte ihn nach der Priesterweihe schließlich zur Missionierung in das damals Cardena genannte kleine Moseldorf Karden, in dem vor allem Fischer, Winzer und Bauern lebten. Sie sollte Kastor für den christlichen Glauben gewinnen.

Wie das Leben vieler Heiliger prägen auch Kastors Lebensbeschreibungen zahlreiche Legenden. So wird erzählt, er habe in einer Höhle am Fluss gewohnt und sei in Cardena Ende des vierten Jahrhunderts gestorben. Zugeschrieben wird ihm die Bildung einer Priestergemeinschaft, die er mit dem ebenfalls aus Aquitanien stammenden Potentinus und dessen Söhnen Felicius und Simplicius gegründet habe. Aus ihr ging eine bis ins frühe 19. Jahrhundert bestehende Stifts­gemeinschaft hervor. Von dem einstigen Kollegiatsstift stehen noch einige romanische Gebäude, allen voran die Stiftskirche aus dem zwölften Jahrhundert.

Erhebung der Gebeine

Zu größerem Ansehen kam der in Karden beigesetzte Missionar mit der Erhebung seiner Gebeine im Jahr 780 durch den Trierer Bischof Wiomad, der sie in Kardens Paulinus-Kirche bringen ließ. Der Akt kam Kastors Seligsprechung gleich. Ein gutes halbes Jahrhundert später, am Martinstag 836, ließ Triers Erzbischof Hetti den größten Teil der Reliquien in die neue Kastor-Kirche nach Koblenz bringen. Sie wurde am Folgetag geweiht.

Schon die Römer hatten um das Jahr 100 nach Christus an der Stelle des späteren christlichen Gotteshauses einen gallorömischen Tempel gebaut, an dessen Platz in der zweiten Jahrtausendhälfte ein christlicher Friedhof mit einer Memoria entstand. Als Gruftkapelle wurde die Gedenkstätte über eine Ringkrypta mit der Kirche verbunden und im zehnten Jahrhundert bedeutend erweitert.

Koblenz war damals einer der wichtigsten Treffpunkte europäischer Herrscher. Die Kirche machten sie bei vielen politischen Streitigkeiten zu einem bedeutenden Schlichtungsort. So wurde dort etwa die Teilung des Frankenreichs ausgehandelt, die 843 im Vertrag von Verdun endgültig festgeschrieben wurde. Der Staufer Konrad III. ließ sich in dem Gotteshaus gar 1138 zum deutschen König ausrufen.

Legende der Salzschiffer

Neben dem Schrein mit Reliquien des Heiligen erinnert seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Handvoll großer Fresken an Kastor. Sie zeigen, wie ihn seine Eltern Bischof Maximinus vorstellen, wie er zum Priester geweiht wird, an der Mosel predigt und ein Schiff vor dem Sinken bewahrt. Die auch in anderen Gemälden dargestellte Legende erzählt von mosel­aufwärts fahrenden Salzschiffern, die Kastor, der am Moselufer einen kleinen Garten hatte, um dringend benötigtes Salz bat. Sie aber lachten ihn aus.

Daraufhin brach ein furchtbares Gewitter los, das das Schiff fast zum Kentern brachte und den Mast zerschmetterte. In größter Not baten die Schiffer den Einsiedler um Hilfe, der die Mächte der Natur schließlich mit seinem Gebet besänftigte. Zum Dank gaben die Geretteten reichlich von ihrer Ladung ab. Noch Jahrhunderte später, heißt es, hätten die Moselschiffer ihr Haupt entblößt, wenn sie mit ihren Schiffen an der vermeintlichen Kastor-Höhle am Ufer vorbeifuhren.

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Der kostbar verzierte Schrein in Karden.

Ein Hort der Kastor-Verehrung ist indes vor allem Karden, wo ein Teil der Reliquien zurückblieb und ab dem 15. Jahrhundert in einem kunstvollen Schrein aus Tannenholz in der Stiftskirche Platz fand. Lange stand er im Chor. Seit Mitte der 1950er Jahre steht er in einer romanischen Seitenkapelle. Der Schrein gleicht einem Kirchengebäude mit Lang- und Querhaus und ist mit einem Kreuzdach bedeckt. An den Seitenwänden zeigen sich die zwölf Apostel, auf dem Dach die vier Evangelisten als geflügelte Wesen.

Die beiden Giebelseiten des Langhauses zeigen geschnitzte Halb­reliefs von Christus und der Gottesmutter, die des Querhauses Petrus und Kastor, der in der linken Hand das Modell einer Kirche mit zwei Türmen hält, vermutlich der Koblenzer Kastor-Basilika. Rätsel gibt den Experten die Palme in der linken Hand des Heiligen auf: Sie wird gewöhnlich als Attribut eines Martyriums gedeutet. Davon erzählen die Legenden aber nichts.

Anfangs war es üblich, dass die Pilger unter dem Kastor-Schrein hindurchkrochen. Der Trierer Erzbischof untersagte dies aber 1789. Seitdem tragen ihn an seinem Festtag vier kräftige Männer durch die Kirche, um ihn schließlich für jeden sichtbar am Altar aufzustellen. „Sankt Kastor, Gottesfreund und Held, der in der Vorzeit Tagen durch eine finstre Heidenwelt des Glaubens Licht getragen“, singen dann die Gläubigen. „Durch Glaubenskraft und Wundermacht hast Du das Land bezwungen, durch Gottes Geist der Höllenmacht die Seelen abgerungen.“

Günter Schenk

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