Fastnacht in Aquitanien
Bazas lädt zum Ochsenfest: Metzger pflegen jahrhundertealten Brauch

Prächtig geschmückt stehen sie auf dem Platz vor der Kathedrale, ein gutes Dutzend kräftiger Ochsen. Wie am Schnürchen nebeneinander aufgereiht, jedes Tier fast eine Tonne schwer. Handbemalte Schilder tragen sie auf dem Kopf, von Blumen umränkte Tafeln mit den Namen von Metzgern und Viehzüchtern. Von Frauen und Männern, die im Südwesten Frankreichs vielen Feinschmeckern ein Begriff sind. Schließlich gelten die Ochsen aus Bazas und Umgebung als die besten Frankreichs, genießen die dort und in der Umgebung lebenden 6000 Rasserinder höchste Wertschätzung.
„Fête des Boeufs Gras“
Einmal jährlich zu Fastnacht nimmt sie eine Jury unter die Lupe, begutachten Spezialisten die schönsten der gewichtigen Kolosse. Es ist eine öffentliche Schau, die Besucher von den eigens vor der Kathedrale aufgestellten Tribünen verfolgen können. Denn das Urteil der Fachleute hat Folgen, geben Gourmets für ein saftiges Rippensteak der „race bazadaise“ doch gern Geld aus.
„Fête des Boeufs Gras“ nennen die Franzosen den wichtigsten Feiertag in dem Städtchen südöstlich von Bordeaux. In mehrgängigen Menüs kommen dann regionale Spezialitäten auf den Tisch, warten die Restaurants mit großen Festessen
auf, die zunehmend auch Touristen locken. Längst nämlich genießt die „Grande Soirée des Boeufs“ am Donnerstagabend vor Fastnacht kulinarischen Ruf.
Motor des Festes sind Metzger und Viehzüchter, unterstützt von der 1996 gegründeten „Confrérie Bazadaise du Boeuf“. Einer Bruderschaft, die sich nicht nur der Förderung der Gastronomie, sondern auch der Pflege des Brauches verschrieben hat. Einer Tradition, die einst in ganz Europa verbreitet war. Galt es doch Jahrhunderte lang, an den Tagen vor Aschermittwoch noch einmal groß zu schlachten und sich vor der beginnenden Fastenzeit den Bauch vollzuschlagen.
Schmutziger Donnerstag
Donnerstags war dieser Schlachttag gewöhnlich, der sich im Süden Deutschlands deshalb auch als „fetter“ oder „schmutziger“ Donnerstag einen Namen gemacht hat. Vielerorts führten die Metzger, die zu Fastnacht neben den Brauern mit
die besten Umsätze machten, an diesem Tag ihr Schlachtvieh festlich geschmückt durch die Stadt, in der Regel von Trommlern und Pfeifern begleitet.
Auch in Bazas, wo sich der Brauch bis weit ins Mittelalter verfolgen lässt, geht dem großen Schlachten ein Umzug voraus, wenn Viehzüchter und Metzger ihre Tiere quer durch das Städtchen führen. Voran die kostümierte Bruderschaft, Pfeifer und Tambouren. Stelzengänger aus dem Landes, dem einst sumpfigen Landstrich im französischen Südwesten, geben nebst Trachtenträgern Geleit, verleihen dem Ganzen einen touristischen Anstrich. Schließlich gilt es, auch die vielen fremden Besucher am Festtag bei Laune zu halten.

Lange Tradition
Vor jeder Metzgerei hält der Zug, macht der Tross Station, geben Pfeifer und Trommler zwischen Würsten und Steaks ein Ständchen. Zur Freude der Ladenbesitzer, die zur Stippvisite einen
Willkommenstrunk servieren, auch für fremde Gäste. Ein Gläschen Wein aus der Region und andere Köstlichkeiten, wie sie in Bazas zu Fastnacht traditionell auf den Tisch kommen.
Der Umgang des Fastnachtsochsen, erzählen die Einheimischen bei diesen Zwischenstopps gern, lasse sich bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen. Damals hätten die Metzger jährlich zum Johannisfest der Geistlichkeit einen Stier gestiftet. Im Gegenzug hätten Staat und Kirche ihnen zugestanden, am Donnerstag vor Fastnacht mit einem Ochsen festlich durch die Stadt zu ziehen.
Mittags erreicht die Ochsentour schließlich den großen Platz vor der Kathedrale. Jetzt sind die Juroren gefragt, werden Muskelaufbau und Rassereinheit der Tiere unter die Lupe genommen. Seit ein paar Jahrzehnten gibt es diesen Wettbewerb, bei dem längst auch der Ochse prämiert wird, dessen Fleisch sich vom Metzger am besten verwerten lässt. Eine Auszeichnung, die beim Handel der Rinder bares Geld wert ist. Andere denken olympischer. „Für mich“, meint ein Metzger, „ist die Teilnahme wichtiger als der Sieg.“
Günter Schenk