Im Zeichen des Leidens Christi

Bamberger Passionskrippen veranschaulichen das Kar- und Ostergeschehen in der Maternkapelle

 — © Foto: Traub
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Jesus wird mit Palmwedeln und königlichen Ehren in Jerusalem empfangen.

In Bamberg ist nicht nur der Dom mit der berühmten Skulptur des Bamberger Reiters aus dem 13. Jahrhundert einen Besuch wert. Die unscheinbare Maternkapelle, die sich im Domgrund hinter der mächtigen Bischofskirche zu verstecken scheint, steht bei Krippenfans hoch im Kurs – nicht nur zur Weihnachtszeit.

Das kleine Gotteshaus ist die Bühne der weithin bekannten Bamberger Krippenfreunde, hier zeigen sie regelmäßig Ausstellungen. Zur Osterzeit stehen alljährlich echte Raritäten auf dem Spielplan: die Passionskrippen. Diese auch „ernsten Krippen“ genannten Inszenierungen stellen das Geschehen rund um Ostern dar, manchmal auch darüber hinaus. Man begegnet ihnen in nennenswerter Zahl eigentlich nur noch im Bamberger Raum. Warum das so ist? Darauf wissen auch die Bamberger Krippenfreunde keine schlüssige Antwort.

„Bei uns ist die Tradition eben lebendig geblieben“, meint Marcus Gessner nachdenklich. Der Vorsitzende der Krippenfreunde, deren Geschichte bis ins Jahr 1919 zurückgeht, fügt hinzu, dass es vielleicht an der traditionsreichen Krippenbauschule liegen könne. 1977 gegründet, ist sie die Keimzelle der Bamberger Krippenkultur. Hier lernt man die Feinheiten des Krippenbauens, das Schnitzen, allerdings nicht.

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Vom Domgrund geht der Blick zum Bamberger Dom. Hier liegt die Maternkapelle, die seit 35 Jahren die Krippenschau der Bamberger Krippenfreunde beherbergt.

„Schauen Sie“, sagt Gessner und zeigt eine Krippe mit einem Teich, an dem die Petrifischer sitzen. „Was wie Wasser aussieht, ist tatsächlich eine Plexiglasscheibe“, klärt er auf. Darunter sind die Fische gut zu erkennen. „Wir zeigen auch einige Szenen aus dem Leben Christi, die nicht zur Passionsgeschichte gehören“, erklärt der Bamberger das Konzept der Ausstellung. „Die Architektur der Kulissen bauen wir in der Regel aus dünnem Sperrholz, das mit Kork beklebt wird, damit es orientalisch wirkt“, verrät Gessner.

Neue Figuren aus Südtirol

Manchmal fänden sie auch etwas Brauchbares auf dem Sperrmüll. Wer nachfragt, erfährt, dass Schnee aus Kartoffelstärke gemacht wird und Bäumchen aus den Stielen von Gewürznelken. „Wir verwenden historische Figuren, die in Bamberg geschnitzt worden sind“, informiert der Krippenbauer. Heute gebe es leider keine Schnitzer mehr in der Region. „Neue Figuren kaufen wir zu. Meist sind sie aus Südtirol.“

Im Gegensatz zur frohen Botschaft der Weihnachtskrippen zeigen die Passions- oder Osterkrippen anrührende und drastische Szenen. Normalerweise beginnen die Darstellungen mit Jesu Abschied von der Mutter oder seinem Einzug in Jerusalem und enden meist mit dem Emmausgang zwischen Auferstehung und Himmelfahrt. Ölberg­szene, Abendmahl, Jesus vor Pilatus, Kreuzweg und Kreuzigung: Das sind Szenen, die von den Betrachtern starkes Miterleben fordern – und auch von einem Krippenbauer wie Karl-Heinz Exner.

Thematisch enger Zusammenhang

Passionskrippen von ihm werden alljährlich in der Marienkapelle des Forchheimer Pfalzmuseums ausgestellt. „Muss man sich bei den traditionellen Weihnachtskrippen mit lediglich vier oder fünf Szenen beschäftigen, Passionskrippen bieten rund 30. Dafür braucht man auch viel mehr Figuren“, erklärt Exner. Die Szenenfolge müsse außerdem in einem thematisch engen Zusammenhang gezeigt werden.

„Das erfordert intensive Vorbereitung, viel Zeit und einen riesigen Aufwand an Material“, spricht der Krippenbauer aus dem nahe Bamberg gelegenen Örtchen Bischberg aus jahrzehntelanger Erfahrung. Krippen seien eine Vergegenwärtigung des Heilsgeschehens und regten zum Nachdenken über die biblische Geschichte und den Glauben an, fasst Karl-Heinz Exner zusammen.

Die Besucher der Bamberger Maternkapelle bekommen über Ostern mehrere Dutzend beeindruckende Inszenierungen zu sehen, nun schon seit 35 Jahren. „Wir versuchen, jedes Jahr neue Krippen auszustellen“, betont Krippenfreunde-Chef Marcus Gessner. Es sind Bühnenbilder, in denen die Figuren dynamisch zu agieren scheinen oder in einer meditativen Tragik verharren.

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Jesus wird von der römischen Besatzungsmacht gegeißelt.

Beschränkung auf das Wesentliche

Unterstützt wird das von passenden Lichteffekten, wenn etwa der Auferstandene in einen gleißend violetten Himmel strebt. Darstellungen von Christus vor Pontius Pilatus, der Geißelung, Golgathas oder der Grablegung beschränken sich auf das erzählerisch Wesentliche der biblischen Vorlage und fordern zu Auseinandersetzung und individueller Betroffenheit auf.

Gessner beobachtet, dass in den Gemeinden zuletzt wieder ein größeres Interesse an Passionskrippen geäußert werde. Für diese Tradition, die im 18. und 19. Jahrhundert weit verbreitet war und in Südeuropa und Tirol heute noch gepflegt wird, ist Bamberg jedenfalls seit Langem die deutsche Hochburg.

Trotz des neuen Interesses blickt der Krippenbauer auch ein bisschen skeptisch in die Zukunft. „Wir haben zwar rund 300 Mitglieder, aber viele sind schon alt und nicht mehr aktiv“, sagt er. Und hofft, dass die regelmäßigen Ausstellungen in der Maternkapelle neues Interesse wecken – nicht nur an Passionskrippen.

Ulrich Traub

Information

Die Schau der Passionskrippen in der Maternkapelle findet in diesem Jahr vom 12. bis zum 27. April statt. Arbeiten von Karl-Heinz Exner sind bis 27. April in der Marienkapelle vor der Kaiserpfalz in Forchheim zu sehen.

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Das Grab ist leer! Während die Wächter irritiert dreinblicken, thront der Auferstandene über der von Marcus Gessner gestalteten Szenerie.
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