Bistum Augsburg: Selten gewordener Ausbildungsberuf
Augsburger wurde Orgelbauer

BUCHLOE – Es wiegt zwischen sieben und acht Kilo, hat 18 Tasten, silbern glänzende Pfeifen und besteht vor allem aus Holz. Über 100 Stunden hat Jonas Petrowitsch an seinem Gesellenstück gearbeitet.
Der 27-jährige Augsburger hatte von der Prüfungskommission genaue Vorgaben bekommen, wie das Portativ (so der Fachbegriff für eine tragbare, kleine Orgel) auszusehen hat. 80 Stunden hat er in der Werkstatt seines Lehrmeisters Robert Wech in Buchloe gearbeitet, um das Instrument zu bauen.
Da der ehemalige Geselle in der Nähe der Wertach lebt, hat er dort Kiesel gesammelt, sie in der Werkstatt rundgeschliffen, in Epoxidharz eingegossen und im Holz der Orgel verarbeitet. Während der mehrtägigen Abschlussprüfung hatte er noch einmal 30 weitere Stunden Zeit für den Feinschliff.
Alles vorgegeben
Selbst die Töne hatte ihm die Prüfungskommission vorgegeben. Doch die variieren: Wenn man die Taste für das C herunterdrückt, erklingt entweder ein Es oder ein E. Das hängt davon ab, wie stark man die Windlade aufzieht. Vor allem Menschen mit absolutem Gehör dürfte dieser Umstand verwirren.
Dass Petrowitsch Orgelbauer werden würde, war keineswegs vorgezeichnet: Nach dem Abitur probierte er sich in verschiedenen eher technischen Studiengängen aus. Aber nach vier Jahren merkte er: „Es ist nicht mein Ding, am Schreibtisch zu sitzen.“ Die Zusage für die Schreinerlehre hatte er schon in der Tasche, da wurde er über die Handwerkskammer auf die Lehre zum Orgelbauer aufmerksam. Er ist seiner Familie dankbar, dass sie ihn nie unter Druck gesetzt hat, sondern er Zeit hatte, seinen Weg zu finden.
Sein erstes „Wow-Erlebnis“, wie er es nennt, hatte er in seiner Kindheit, als die Orgel in seiner Heimatpfarrei St. Georg und Michael aufgrund einer Sanierung für einige Zeit verstummte. „Als sie dann nach einiger Zeit wieder erklang, wurde mir erst bewusst, wie viel der Klang der Orgel im Gottesdienst ausmacht.“
Der Zugang zu Glaube und Kirche wurde ihm von seinen Eltern in die Wiege gelegt: Er war nicht nur Jugendleiter der Pfarrjugend Zum heiligsten Erlöser und St. Remigius Bergheim, sondern auch Oberministrant in Göggingen. Gott ist für ihn „eine mentale Stütze, jemand, „der da ist, wenn man sich alleine fühlt“. Im Glauben findet er „Sicherheit bei Fragen, die man rein logisch nicht beantworten kann“.
Langsame Einarbeitung
Zu Beginn seiner Ausbildung wurde der ehemalige Lehrling in kleinen Schritten angeleitet. Im ersten Jahr durfte er noch nicht mit den Maschinen arbeiten, sondern musste zum Beispiel Dichtungen bauen, um das verarbeitete Holz vor dem Wettereinfluss zu schützen. Eine besondere Herausforderung waren für ihn die Außeneinsätze. Da sie nur zu dritt waren, musste er schnell Verantwortung übernehmen und die Arbeit blieb spannend. Das gilt vor allem dann, wenn eine Orgel auf der Empore aufgebaut werden muss: Da ist schon mal Improvisationstalent gefragt, weil man dort kaum Platz hat. Ansonsten brauche es als Orgelbauer vor allem ein gewisses Verständnis für Musik und Akustik, außerdem handwerkliches Geschick. Höhen- oder Platzangst dürfe man nicht haben, zudem sollte man eine gewisse körperliche Konstitution mitbringen.
Laut Petrowitsch könne man den Beruf des Orgelbauers am ehesten mit dem des Schreiners vergleichen. Auch die Entlohnung ähnelt sich, man verdient 18 Euro pro Stunde.
Der Augsburger wohnt bei seinem Großvater und fährt jeden Tag mit dem Zug nach Buchloe. Die knapp 20 Gehminuten zur Werkstatt nutzt er, „um den Kopf freizubekommen“. Wesentlich weiter hatte er es, wenn er zur Schule musste: Da es in ganz Deutschland nur eine einzige Berufsschule für Orgelbauer gibt, musste Petrowitsch für den theoretischen Teil der Ausbildung nach Ludwigsburg fahren. Dort wurde er zur Entwicklung der Orgel seit der Antike unterrichtet, was er nur „zum Teil interessant“ fand, wie er schmunzelnd zugibt. Er erfuhr, wie sich die Orgel in der Kirchenmusik etablierte, und lernte zum Beispiel, wie das Instrument gestimmt wird und Windladen gebaut werden.
Die Azubis mit Abitur konnten gleich einen Teil des Meisterkurses an die Lehre dranhägnen, doch Petrowitsch wurde das zu viel. „Früher oder später“ möchte er aber schon die Meisterprüfung machen. Jetzt freut er sich erstmal darüber, dass er im Januar nach den bestandenen Abschlussprüfungen von seinem Lehrbetrieb übernommen wurde.
Maximilian Lemli