"Das ist 'ne runde Sache"
Neue Berliner Sankt-Hedwigs-Kathedrale beeindruckt Gläubige und Politiker

Sechs Jahre war die wichtigste katholische Kirche in der Hauptstadt wegen Umbaus geschlossen. Dementsprechend groß war die Neugier derjenigen, die am Sonntagvormittag zum feierlichen Eröffnungsgottesdienst pilgerten. Wie würde der Innenraum nach der Sanierung aussehen? Wie würde das neue Arrangement wirken? Der neue, halbkugelförmige Altar im Zentrum des Rundbaus zum Beispiel oder die runde, vom antiken Pantheon in Rom inspirierte Öffnung in der Kuppel, auf der bis zum Umbau ein Kreuz ragte und durch die jetzt der Berliner Himmel glasig durchscheint?
Der Berliner Kultursenator Joe Chialo (CDU) teilte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) seinen ersten Eindruck mit: „Dieser Umbau ist gelungen. Er ist so hell, so freundlich. Man hat den direkten Blick auf dieses Oberlicht nach außen.“ Die Kathedrale sei jetzt sehr einladend, sehr offen, rund. „Das schafft ein Gemeinschaftsgefühl.“
Ein Raumgefühl, auf das auch der Berliner Erzbischof Heiner Koch in seiner Predigt einging, die ganz im Zeichen der Hoffnung und des Miteinanders stand: „Diese Kirche ist eine Rundkirche, und wir sitzen mit dem Bischof zusammen auf einer Ebene um den Altar, um Christus herum.“ Dies sei auch Ausdruck von Synodalität, von dem, was Papst Franziskus immer wieder ins Bewusstsein rufe: „Lebt normal, gestaltet die Kirche normal.“
Tatsächlich konnten die rund 700 Gottesdienst-Teilnehmer bei der „Premiere“ in der neuen Sankt Hedwigs–Kathedrale über die liturgischen Grundelemente hinaus ein Zusammenspiel von Helligkeit, Klangweite und Modernität erleben, das in der Bundesrepublik unter den Bischofskirchen seinesgleichen suchen dürfte. Oder, wie es der evangelische Bischof Christian Stäblein bei seinem Grußwort auf den Punkt brachte: „Hier haben Sie einen Ort, wo Geist, Seele und Hoffnung abheben.“
Die Grundidee des neuen Konzepts, mit der sanierten Sankt– Hedwigs–Kathedrale nicht nur Katholiken einen neuen Raum anzubieten, sondern auch Menschen anzuziehen, die den christlichen Glauben nicht teilen, sich von der Sprache der Architektur und der künstlerischen Gestaltung aber angesprochen fühlen, könnte aufgehen.
Dies klang auch beim „allersten Eindruck“ des bekannten Soziologen Hans Joas durch, der als Ehrengast geladen war. In Büchern wie „Die Macht des Heiligen“ hat sich der 75-Jährige immer wieder mit dem Verhältnis von Moderne und Sakralität beschäftigt. „Ich war im Vorfeld sehr ambivalent, weil ich auch Sympathien für den Einwand gegen den Umbau hatte“, sagte Joas der KNA. „Ich war der Meinung, dass auf die Erinnerungen und Bedürfnisse der DDR-Bürger, die katholisch geblieben sind in schwierigen Zeiten, Rücksicht genommen werden müsste.“ Auf den ersten Blick sei er aber schon sehr angetan von der neuen Architektur und dem gesamten Eindruck des Raumes, sagte Joas. „Ich glaube, dass er für liturgische Zwecke vermutlich geeigneter ist, als es bisher war.“
An dem Eröffnungsgottesdienst nahmen noch andere Spitzenvertreter aus Politik, Kultur und Gesellschaft teil, darunter der Regierende Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner (CDU), der die Kathedrale als ein „besonderes Gebäude“ bezeichnete. Wegner betonte: „Ich glaube, gerade in diesen Zeiten von Krisen und Kriegen, von Verunsicherung und Spaltung brauchen wir mehr Glauben, mehr Hoffnung, mehr Zuversicht und mehr Zusammenhalt.“ Der Applaus für diese Worte hielt lange an.
Das letzte Wort hatte jedoch der Hausherr, der Berliner Erzbischof Heiner Koch, der vor Beginn der Feier noch schnell durch die Gänge und Sitzreihen gehuscht war, um noch eine Kerze vor einer Marienfigur anzuzünden. Am Ende des Gottesdienstes sagte Koch sichtbar erleichtert und dankbar: „Jetzt kann’s losgehen! Das ist ’ne runde Sache.“
Die Bischofskirche liegt am Bebelplatz, nahe dem Boulevard Unter den Linden. Die Idee zum Umbau wurde während der Amtszeit von Kardinal Rainer Maria Woelki als Erzbischof von Berlin (2011-2014) entwickelt. Woelki nahm auch an dem Gottesdienst teil.
Stefan Meetschen/KNA